Kommentar |
“[…] – aber da stand ich schon vor der Tür, die direkt in die Bibliothek führt.
Ich muss sie geöffnet haben, denn augenblicklich erschien dort, wie ein Schutzengel, der mit dem Geflatter einer schwarzen Robe statt weißer Flügel den Weg versperrt, abwehrend ein silberhaariger, gütiger Gentleman, der, während er mich zurückscheuchte, mit leiser Stimme bedauerte, Damen seien nur in Begleitung eines Fellows des College oder mit einem Empfehlungsschreiben versehen zur Bibliothek zugelassen.
Dass eine berühmte Bibliothek von einer Frau verwünscht wird, ist für eine berühmte Bibliothek völlig bedeutungslos. Ehrwürdig und gelassen, mit all ihren Schätzen sicher an ihrem Busen verwahrt, schläft sie selbstzufrieden und wird, was mich angeht, für immer so weiterschlafen (Woolf 2018/1929, S. 11)“.
Der Sprecherin aus Virginia Woolfs Roman „A Room for One’s Own” (1929) wird damit nicht nur der Zutritt zur Bibliothek als einem öffentlichen Ort verwehrt, sondern dieser Ausschluss ist deutlich folgenreicher: Die Türen der Bibliothek – als ein „Raum des archivierten Wissens“ – bleibt der Frau verschlossen. Ihr wird die Möglichkeit auf Bildung verwehrt. Was hier in einem fiktionalen Roman beschrieben wird, entspricht zu damaligen Zeit den gesellschaftlichen Realität. Institutionelle Orte der Bildung waren (größtenteils) Männern vorbehalten. Dass dem so war, schließt an eine lange Tradition spezifischer Bilder von Männern und Frauen an, auf die wir in diesem Seminar in verschiedenen Bildungs- sowie Erziehungstheorien schauen werden. Leitend wird dabei die Frage sein, wie Vorstellungen von Bildung und Erziehung zur Unterdrückung von Menschen(gruppen) führen als auch deren Emanzipation ermöglichen können.
Literatur
Woolf, Virginia (2018/1929): Ein Zimmer für sich allein. Stuttgart: Reclam. |