Kommentar |
Immanuel Kant zufolge führen die Hauptfragen der Philosophie alle auf die Grundfrage zurück „Was ist der Mensch?“ In einem klaren Sinne wird diese Frage inzwischen durch die Biologie beantwortet. Das kann aber kaum der Sinn sein, in dem die Antwort auf diese Grundfrage eine Beantwortung weiterer zentraler philosophischer Fragen ermöglichen oder regulieren könnte. In der Vorlesung wird Kants anscheinend deskriptive Frage als die normative Frage interpretiert, wie wir uns als Menschen verstehen sollen. Nach der Diskussion einiger Versuche, diese Frage zu beantworten, u.a. aus dem Umkreis der Autoren, die üblicherweise zur deutschen „Philosophischen Anthropologie“ gerechnet werden (Heidegger, Scheler, Plessner, Gehlen), wenden wir uns dem Versuch zu, diese Frage unter heutigen – philosophischen und empirisch-wissenschaftlichen – Bedingungen zu beantworten. Zu diesem Zwecke bedarf es einer Untersuchung der „strukturellen Bedingungen der charakteristischen menschlichen Lebensform“. Wir werden verschiedene Charakteristika unserer Lebensform – propositionale Einstellungen, Handeln, Sprache, Rationalität, Emotionalität, Kultur – in den Blick nehmen und die Verhältnisse zwischen ihnen zu bestimmen versuchen. Dabei sollen Ergebnisse relevanter empirischer Forschung aus benachbarten Disziplinen berücksichtigt werden. Ziel einer philosophisch-anthropologischen Untersuchung ist es schließlich zu klären, ob es zwischen den Merkmalen unserer Lebensform determinierende oder sonstige Vorrangigkeitsbeziehungen gibt, deren Nachweis es erlauben würde, hier von einer „Struktur“ unserer Lebensform zu sprechen. |