Kommentar |
Dass Bilder im Vergleich zu Texten oft größere emotionale Wirkung haben, wissen wir nicht erst seit es den Propagandafilm oder die Werbefotografie gibt. Schon in der antiken Rhetorik wird für den Zweck der Emotionalisierung empfohlen, die sprachlichen Mittel der Rede so einzusetzen, dass der Hörer glaubt, das Gesagte „vor Augen" zu haben. Diese rhetorischen Figuren des Vor-Augen-Stellens (z.B. evidentia oder enargeia) haben, so lehren es die Rhetoriken der Antike wie der Frühen Neuzeit eine besondere Gewalt über Zuhörer - und, so kann man schon bei dem römischen Rhetoriklehrer Quintilian sehen, werden oft eingesetzt, wenn es gilt, Gewalt zu veranschaulichen. Die Literatur des Barock bietet eine Fülle von Anschauungsmaterial für eine Rhetorik der Anschaulichkeit und für die sprachliche, aber auch theatrale Visualisierung von Gewalt. Im Seminar wollen wir anhand von Gedichten und Dramen aus dem 17. Jahrhundert einerseits solche Formen sprachlicher Bildgebung analysieren und auf ihre Funktion hin befragen und andererseits sie mit Beispielen ähnlicher Verfahren späterer Jahrhunderte (z.B. Goethe, Kleist), vergleichen. Literatur zur Einführung: Rüdiger Campe: Vor Augen Stellen. Über den Rahmen rhetorischer Bildgebung. In: G. Neumann (Hg.): Poststrukturalismus. Herausforderung an die Literaturwissenschaft. Stuttgart/Weimar 1997, S. 208-225 |