Bekanntermaßen erschließt sich einem der Inhalt eines Buches nicht im Detail, wenn man sich mit der Lektüre der Vorrede bzw. Einleitung begnügt. Allerdings ist eine gründliche Lektüre der einleitenden Zeilen eine stets gebotene, oftmals sogar unverzichtbare Bedingung für einen angemessenen Zugang zum Werk. Sofern der Autor in den Eröffnungsabschnitten seine Motive offen legt, zentral zu diskutierende Probleme sogleich benennt, damit die Ziele seiner Arbeit explizit macht und eventuell noch eine kleine Problemgeschichte erzählt, die zum Inhalt des Werks hinführt, dann schenkt er dem Leser damit nicht nur eine Orientierung in der eigenständigen Lektüre, sondern ein handfestes Werkzeug für ein angemessenes Textverständnis. Immanuel Kants „Vorreden" und „Einleitungen" zur Kritik der reinen Vernunft erfüllen diese Bedingungen uneingeschränkt. Sie umfassen nicht nur eine beeindruckende Diagnose der Entwicklung der Erkenntnistheorie bis 1781 (also eine Erzählung aus der Perspektive Kants), sondern sie beheimaten sogleich entscheidende Hinweise, wodurch das Resultat einer „Kopernikanischen Wende in der Philosophie" gekennzeichnet ist und wie es um den Aufbau und die Methode einer wissenschaftlichen Metaphysik bestellt ist. D.h. der Autor formuliert allgemeine Gelingensbedingungen für ein - bei Kant sogleich - sinnkritisches Philosophieren sowie Bedingungen für ihre Realisierung, deren Kenntnis entscheidenden Einfluss auf das Verstehen der Pointen des Transzendentalen Idealismus nimmt. Im Seminar werden wir uns detailliert der Lektüre dieser Abschnitte zuwenden. Dieser Modus schließt in der Vorbereitung zu den einzelnen Sitzungen partiell die Lektüre ausgewählter Ausschnitte der erkenntnistheoretischen Klassiker von Descartes bis Hume ein. |