Im Zentrum des Proseminars stehen mit Gustave Flauberts Madame Bovary (1857) und Un cœur simple (1877) zwei Klassiker der französischen Literatur des 19. Jahrhunderts.
Mit Flaubert werden wir einen Autor kennen lernen, der sich in seiner Schreibkammer heiser schrie, um Rhythmus und Klang seiner Prosa zur Perfektion zu bringen. In einem ersten Schritt wollen wir diesem Stilideal Flauberts nachgehen, das vor allem mit der so gen. erlebten Rede (dem style indirect libre) in Verbindung gebracht wird und sich in seinem vielzitierten Credo kristallisiert, er habe mit Madame Bovary „un livre sur rien“ schreiben wollen. In einem zweiten Schritt werden wir uns den zeit- und sittenkritischen Implikationen – nicht von ungefähr trägt Madame Bovary den Untertitel Mœurs de province – von Flauberts Texten widmen. Wir wollen dabei sehen, was es mit heimlich genaschtem Zucker, einer skurrilen Versammlung von Landwirten, einer ominösen Kutschfahrt, einem Korb duftender Aprikosen, einer missglückten Klumpfußoperation, einer Handvoll weißen Pulvers und einem ausgestopften Papagei auf sich hat.
Die gemeinsame Analyse soll dazu dienen, die aus der Einführung bekannten Grundlagen der Erzähltextanalyse zu vertiefen und zu perspektivieren. Daneben sollen im Seminar sowohl ‚klassische‘ (Erich Auerbach u.a.) als auch neuere (Barbara Vinken u.a.) Interpretationsmöglichkeiten und -potentiale der Texte diskutiert werden.
Teilnahmevoraussetzung ist der erfolgreiche Abschluss der Einführung in die französische Literaturwissenschaft. Alle TeilnehmerInnen werden gebeten, sich die genannten Texte in folgenden Ausgaben anzuschaffen und sich in einer ersten Lektüre, die ich zu Seminarbeginn unbedingt voraussetze, mit den Texten vertraut zu machen:
Gustave Flaubert, Madame Bovary. Mœurs de province. Ed. Thierry Laget, Paris: Gallimard 2001 u.ö. (= folio classique 3512).
ders., Un cœur simple. Ed. Brigitte Sahner, Stuttgart: Reclam 2005 (= RUB 9200). |