In den 1970er und 1980er Jahren stand die wissenschaftliche Biografie unter erheblicher Kritik des Fachs, von der „Krise der Biografie“ oder gar deren Ende war die Rede. Mittlerweile zählt die auch als „Königsdisziplin“ der Geschichtswissenschaft bezeichnete Biografie wieder zum allgemein akzeptierten historiografischen Repertoire. Die Regalreihen populärer Darstellungen sind im Buchhandel kaum zu übersehen.
Im Seminar soll den methodischen und theoretischen Implikationen einer wissenschaftlichen Biografie im Unterschied zu anderen geschichtswissenschaftlichen Untersuchungsgegenständen und Darstellungsweisen nachgegangen werden: Wie verhält sich das Individuum zur Gesellschaft, welchen Einfluss kann das Individuum auf gesellschaftliche Entwicklungen nehmen (und umgekehrt)? Mit welchen Quellengattungen sind wir konfrontiert, welche Schwierigkeiten weisen Egodokumente oder autobiografische Fragmente auf? Wie steht es um das Verhältnis des Biografen zum Biografierten? Wie viel Empathie darf man sich „leisten“, ohne Heiligengeschichtsschreibung zu betreiben? Dient die in historiographischer Perspektive verfasste Biografie der Darstellung eines Lebens „von der Wiege bis zur Bahre“ oder ist sie mehr Anlass zur Kontextualisierung?
Diesen und weiteren Fragen wird im Seminar nach einer theoretisch-methodischen Problematisierungsphase anhand ausgewählter Werke nachgegangen. |