Kommentar |
Das Verhältnis der Literatur zu ihrer jeweiligen Gegenwart ist historisch variabel. Während Heinrich Leopold Wagner 1776 vom tragischen Dichter Aktualität fordert, d.h., das Drama so zu schreiben, dass man erkennen kann, „in welchem Jahr er sein Werk verfertigt hat“, verstößt wenig später Schiller den Dichter aus seiner Zeitgenossenschaft und fordert, dass allenfalls der Stoff, aber niemals die Form aus der „Gegenwart“ zu nehmen sei. (Über die ästhetische Erziehung des Menschen.) Heute dagegen erwarten wir regelrecht von Schriftstellern die großen Gegenwartsthemen zu literarisieren, sei es die „Wende“ oder auch „9/11“, gleichzeitig grenzen sich Schriftsteller dezidiert gegen solche Forderungen nach bloßer Aktualität ab: „Gegenwärtigkeit bedeutet für mich, zu vermeiden, aktuell zu sein“ (Ulrich Pelzer). Die Beziehung zwischen Literatur und ihrer jeweiligen Gegenwart unterliegt offenbar historischen Veränderungen, die in ihren vielfältigen Ausformungen Gegenstand des Seminars sind. Zu fragen ist dabei auch nach dem Begriff der Gegenwart und der Rolle der Aktualität für die Literatur.
Gelesen werden theoretische und literarische Texte von Schiller bis zu Helene Hegemann, von Heinrich von Kleist bis zu Ingo Schulze. |