Kommentar |
Der Begriff der Autofiktion ist in den 1970er Jahren von Serge Doubrovsky lanciert worden und mittlerweile in aller Munde. Die einen verstehen darunter jede Art der literarischen fictionnalisation de soi, die anderen eine spezifisch postmoderne Ausprägung des Autobiographischen. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts gewinnt die Diskussion eine neue Dimension, die vor allem mit der Entwicklung der neuen Medien, insbesondere der Möglichkeiten des Internets, in engem Zusammenhang steht. Wozu soll man noch Autobiographien oder Autofiktionen in Buchform veröffentlichen, wenn es die viel unmittelbarere Form der Selbstdarstellung in Weblogs oder Facebook gibt? An die Stelle der Erinnerung mittels Schreiben tritt die Erfindung des Selbst bzw. des Autors. Wenn Michel Houellebecq in seinem jüngsten Roman La carte et le territoire seine eigene Ermordung und Beerdigung auf dem Künstlerfriedhof Père-Lachaise entwirft, so scheint er seine eigene (fiktionale) Biographie selbst gestalten zu wollen, statt sie von Journalisten oder Wikipedia-Autoren schreiben zu lassen.
Im Mittelpunkt des Seminars steht die gemeinsame Erarbeitung unterschiedlicher literarischer Selbstinszenierungen. Dabei soll auch der Aspekt des Buchmarkts und der Vermarktung von Autoren in den Medien berücksichtigt werden. In verschiedenen Exkursen werden wir uns ferner mit Entwürfen von Autorschaft in anderen Medien (Photographie, Fernsehen, Weblog) befassen.
Zu Semesterbeginn wird ein Reader zur Verfügung gestellt, der Textauszüge u.a. von Serge Doubrovsky, Georges Perec, Alain Robbe-Grillet, Roland Barthes, Hervé Guibert, Christine Angot, Frédéric Beigbeder und Éric Chevillard enthält.
Der 2010 mit dem Prix Goncourt ausgezeichnete Roman La carte de le territoire von Michel Houellebecq sollte von allen Teilnehmer/inne/n angeschafft und bis zu Semesterbeginn gelesen werden. |