Kommentar |
Die Veröffentlichung von Baudelaires Petits poëmes en prose bedeutet einen literarhistorischen Einschnitt, denn mit ihnen beginnt „la poésie de la modernité (R. Kopp). Die Mimesis des Realen wird ersetzt durch eine Ästhetik der Evokation und der Suggestion – ein Vorgang, den Hugo Friedrich unter dem Stichwort des „Zerlegen und Deformieren“ zusammenfasst. Auch die Gattungsbezeichnung Prosagedicht spiegelt schon eine innere Spannung wider. Die frühe Literaturkritik, deren Vorstellung von Poesie identisch war mit versgebundener Lyrik, sah in der Bezeichnung poème en prose ein Oxymoron. Neuere Untersuchungen lesen die Disparität und Diskontinuität der Prosagedichte hingegen als bewusst eingesetztes Stil- und Ausdrucksmittel. Ihre formale Unbestimmtheit bedeutet produktionsästhetisch eine Offenheit für verschiedene poetische Schreibweisen und Experimente. Neben der Diskussion unterschiedlicher Gattungsdefinitionen und neuerer Forschungsansätze werden wir im Seminar dieser neuen poetischen Form, die der Inszenierung moderner Erfahrung mehr zu entsprechen scheint als Versgedichte, nachgehen und dazu Prosagedichte von Charles Baudelaire bis Henri Michaux lesen und analysieren.
Zur vorbereitenden Lektüre:
Charles Baudelaire (2006), Le Spleen de Paris. Petits poèmes en prose, hg. von Robert Kopp, Paris: Poésie/Gallimard. |