Kommentar |
Das Soziale steht im Zentrum der historisch-politischen Form und Formierung des wohlfahrtsstaatlichen Arrangements und bezeichnet zugleich den blinden Fleck der politischen Theorie. Mit dieser klärungsbedürftigen Aussage ist ein Dilemma umrissen, dass die Frage nach dem Verhältnis von wohlfahrtsstaatlichen Institutionen und Demokratie entscheidend prägt: Hängt die Implementierung wohlfahrtsstaatlicher Strukturen wesentlich von der Erfindung des Sozialen ab, so wird dieses Soziale in der (neueren) politischen Theorie und Philosophie wenn überhaupt, dann zumeist als ideologischer Rest des marxistischen Geschichtsexperimentes oder Hemmschuh der Demokratiebildung interpretiert. Vor diesem Hintergrund wundert es nicht weiter, dass die gegenwärtig diagnostizierte Krise des Sozialen ihr spiegelbildliches Pendant in einer erneut aufgeflammten Diskussion um die Demokratisierung der Gesellschaft findet. Nichts scheint näherliegend, als die scheinbare Auflösung von Gesellschaft als „soziales Totalphänomen“ (Mauss 1999) mit einer „Rückkehr der politischen Philosophie“ und „ihres Objektes, der Politik“ zu verbinden (kritisch: Rancière 2002: 7)?
Für die Pädagogik ist ein solcher Transformationsprozess nicht zuletzt deshalb von enormer Relevanz, da der politischen Funktion und Reichweite pädagogischer Maßnahmen – etwa in Form der Sozialen Arbeit und der politischen Bildung - gegenwärtig eine wichtige Bedeutung zukommt. Wie aber verhält sich die schmeichelhafte Zielsetzung der „Demokratiebildung“ zu gängigen Funktionsbestimmungen wohlfahrtsstaatlicher Institutionen, nämlich „Normalisierungsarbeit“ zu leisten? Warum entfaltet die Zielsetzung der Demokratisierung in einer historischen Situation vermehrt Relevanz, die populäre Gesellschaftdiagnosen unter den Begriff der ‚Postdemokratie‘ stellen? Anders gefragt: Geht die Erosion des Sozialen auch tatsächlich mit einer Politisierung einher?
Das Seminar möchte das begriffliche Potential postfundamentalistischer Theorien des Politischen (H. Arendt, C. Lefort, J. Ranciere) dafür nutzen, die gegenwärtige Konjunktur demokratiebildender Maßnahmen systematisch zu hinterfragen. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Verhältnis von Sozial-/Politikwissenschaften und politischer Philosophie, Sozialem und Politischem, sowie den bildungstheoretischen Konsequenzen einer Bestimmung des ‚Politischen, die sich am französischen Postfundamentalismus orientiert. |