Als analytisch-empirische Wissenschaft löst sich die Soziologie im 19. Jahrhundert von den Gesellschafts- und Staatstheorien der politischen Philosophie wie auch der Nationalökonomie. In diesem Prozess ist es gerade der Gesellschaftsbegriff, der eine neue Deutung erfährt und einen neuen Stellenwert für die Klassiker des Faches gewinnt. Die Soziologie reagiert damit in ihrer Frühphase auf gesellschaftsgeschichtliche Veränderungen, die mit der modernen, industrialisierten Gesellschaft verbunden sind und die sich schon zuvor im staatstheoretischen und nationalökonomischen Denken niedergeschlagen haben. Für das 18. Jahrhundert wird ein Bruch mit der aristotelischen Unterscheidung von oikos (Haus) und polis (Gemeinde) konstatiert, der in dieser gesellschaftsgeschichtlichen Entwicklung begründet ist. Die Umstellungen des Gesellschaftsbegriffs sind genauso wie die Entstehung der Soziologie als Fachdisziplin mithin selbst Ausdruck grundlegender gesellschaftlicher Strukturveränderungen.
Im Rahmen des Seminars soll an Hand ausgewählter Texte aus der politischen Philosophie die Vorgeschichte des soziologischen Gesellschaftsbegriffs rekonstruiert werden. Zugleich wird nach den gesellschaftlichen Transformationen gefragt, die die zu beobachtenden begrifflichen Veränderungen plausibel machen können |