Kommentar |
Dem Briefroman ist im 18. Jahrhundert ein beispielloser Erfolg beschieden: Einerseits, da im Medium des Briefes die (spezifisch weibliche?) Gefühlskultur des Siècle des Lumières ihren authentischen Ausdruck findet, andererseits, da es die betonte Subjektivität des Briefes ermöglicht, aufklärerische Kritik geschickt getarnt zu artikulieren. Choderlos de Laclos’ 1782 veröffentlichter Briefroman Les Liaisons dangereuses markiert gleichermaßen den Höhe- und Endpunkt dieser Erfolgsgeschichte. Überaus ingeniös legt er dar, wie der Brief nicht nur als authentisches und vertrauliches Zeugnis, sondern auch manipulativ für erotische Verführung und erpresserische Intrigen zum Einsatz kommen kann. Zugleich spiegelt sich im Untergang der Protagonisten, den diese gleichsam selbst ‚er-schreiben‘, mit besonderer Eindringlichkeit die zerstörerische Gefahr einer bedingungslos aufklärerischen Rationalität.
Dieser Faszination und Sprengkraft des Romans wollen wir mit gemeinsamer Lektüre und Interpretation nachgehen. Ziel ist es zunächst, die aus der Einführung bekannten Kenntnisse der literaturwissenschaftlichen Textanalyse zu vertiefen. Darüber hinaus soll die selbständige Auseinandersetzung mit der Forschungsliteratur eingeübt werden, wobei neuere Ansätze aus dem Bereich der Gender Studies – und damit der Bezug des Romans zu den Geschlechterdebatten der Aufklärung – besondere Berücksichtigung finden. Anhand der Verfilmungen des Romans (Vadim, Frears u.a.), die ebenfalls Bestandteil der Seminararbeit sind, wird schließlich auch das mediale Potential der Liaisons dangereuses in den Blick genommen.
Literatur:
Alle Teilnehmer_innen werden gebeten, die folgende Studienausgabe der Liaisons dangereuses anzuschaffen und sich in einer ersten Lektüre mit dem Roman vertraut zu machen:
Choderlos de Laclos, Les Liaisons dangereuses, hg. v. Michel Delon, Paris: LGF 1996 (Le Livre de Poche, 354).
Als vorbereitende Lektüre dienen die entsprechenden Abschnitte in Jürgen Grimm (Hg.), Französische Literaturgeschichte, Stuttgart/Weimar: Metzler 2006, und die Interpretation von Anke Wortmann, „Choderlos de Laclos: Les Liaisons dangereuses (1782)“, in: Dietmar Rieger (Hg.), 18. Jahrhundert. Roman, Tübingen: Stauffenburg 2000, S. 253-302. Darüber hinaus und semesterbegleitend sei als Referenz die von Catriona Seth besorgte Pléiade-Ausgabe der Liaisons dangereuses (Paris: Gallimard 2011) empfohlen. |