Kommentar |
Das Seminar reflektiert den kulturgeschichtlichen Topos, dass sich menschliche Beseeltheit und kreatives Ausdrucksvermögen einer göttlichen Kraft verdankt, die seit der Antike unter Begriffen wie ›Enthusiasmós‹, ›Furor poeticus‹, ›Genie‹ oder ›Inspiration‹ diskutiert werden. Erschlossen werden dazu alternativen Theorien der Inspiration in theologisch-philologisch vergleichender Sicht. In den Blick kommen dabei ebenso philosophische Klassiker (z.B. Platons Ion und Phaidros oder Pseudo-Longins Traktat Über das Erhabene) wie mythologische und christliche Inspirationsfiguren (z.B. Dämon, David, Engel, Genius, Heiliger Geist, Moses, Musen, Pygmalion, Sibyllen) oder einschlägige anthropologische Modelle (Evangelist, Poeta vates, Prophet, Rhapsode etc.). Exemplarisch erschlossen werden darüber hinaus wichtige Inspirationstopoi und -diskurse in Literatur und Kunst wie z.B. das ›wahnsinnige Genie‹ in Senecas De tranquillitate animi, der Musenanruf in der Exordialtopik, die mittelalterliche Visionsliteratur, Albrecht Dürers Rätselallegorie Melencholia I, die ›Schwärmerei‹-Kritik der Aufklärung, der Genie-Topos des ›alter deus‹ um 1800 oder auch die psychopathologische Poetik des Rauschs im Zeichen der ›Neuro-Romantik‹ um 1900). Wie spielen christliche Vorstellungen wie etwa die ›Verbal-Inspiration‹ in solche Praktiken und Diskurse hinein? Inwiefern konkurriert z.B. die neuzeitliche Entwicklung des Fiktionsbewusstseins mit der Vorstellung der Eingebung des göttlichen Worts? Solchen Fragen wollen wir im inspirierten Gespräch zwischen beiden Disziplinen auf den Grund gehen. |
Literatur |
Zur Vorbereitung empfohlene Handbuch-Literatur: Horst Bürkle, Josef Ernst, Helmut Gabel: Inspiration. In: Lexikon für Theologie und Kirche. Bd. 5, S. 533-541. Johannes Engels: Ingenium. In: Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Bd. 4, Sp. 382-417. Gottfried Horning, Helmut Rath: Inspiration. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Bd. 4, Sp. 401-407. Wolfgang H. Schrader: Enthusiasmus. In: Ästhetische Grundbegriffe. Studienausgabe. Bd. 2, S. 223-239. Dietmar Till: Inspiration. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Bd. 2, S. 149-152.
Ausgewählte Forschungsliteratur: Eike Barmeyer: Die Musen. Ein Beitrag zur Inspirationstheorie. München 1968. Johannes Beumer: Die Inspiration der Heiligen Schrift. Freiburg i. Br. 1968. Peter Dinzelbacher: Vision und Visionsliteratur im Mittelalter. Stuttgart 1981. Helmut Gabel: Inspirationsverständnis im Wandel. Theologische Neuorientierung im Umfeld des Zweiten Vatikanischen Konzils. Grünewald, Mainz 1991. Axel Gellhaus: Enthusiasmos und Kalkül. München 1994. Christoph Markschies, Ernst Osterkamp (Hg.): Vademekum der Inspirationsmittel. Göttingen 2012. Friedrich Ohly: Metaphern für die Inspiration. In: Euphorion 87 (1993), S. 119-171. Jochen Schmidt: Die Geschichte des Genie-Gedankens. 2 Bde. Darmstadt 21988. Conrad Wiedemann: Engel, Geist und Feuer. Zum Dichterselbstverständnis bei Johann Klaj, Catharina von Greiffenberg und Quirinus Kuhlmann In: Reinhold Grimm (Hg.): Literatur und Geistesgeschichte. Berlin 1968, S. 85-109. Christoph J. Steppich: Numine afflatur. Die Inspiration des Dichters im Denken der Renaissance. Wiesbaden 2002. |