Das Engagement des Aufklärers Voltaire in der Affaire Calas zugunsten des unschuldig hingerichteten Jean Calas in den 60er Jahren des 18. Jahrhunderts gilt als frühe Geburtsstunde jener Figur des „intellectuel“, die seitdem in Frankreich viele Ausformungen erfahren hat. Als Intellektueller kann dabei mit Pierre Bourdieu jenes „être bidimensional“ bezeichnet werden, das sein auf literarischem, künstlerischem oder wissenschaftlichem Feld erworbenes Ansehen dazu nutzt, um sich für ein bestimmtes gesellschaftliches Anliegen aktiv einzusetzen oder sich anderweitig in die politischen Auseinandersetzungen seiner Zeit einzumischen.
In dem überwiegend in französischer Sprache gehaltenen Seminar soll eine ganze Reihe von (zumeist kürzeren) Texten von Voltaire über Zola, Barrès, Rolland, Valéry, Gide bis hin zu Sartre, Camus und Robbe-Grillet gemeinsam gelesen werden, um auf diese Weise die verschiedenen Formen des Engagements der Intellektuellen (oder auch der bewußten Ablehnung eines Engagements) in ihrem jeweiligen geschichtlichen und literarischen Kontext zu erarbeiten. Daher werden von allen Seminarteilnehmerinnen eine ausgeprägte Lektürebereitschaft und historisches Interesse erwartet.
Die Schriften von Voltaire („Traité sur la tolérance“, Editions Gallimard 2016; 160 S. ISBN: 978-2-07-046833-1) sowie von Zola („J´accuse“, Flammarion 1994; 256 S. ISBN: 978-2-08-070220-3) können in der „Heinrich Heine Buchhandlung“ erworben werden, die weiteren Texte stehen am Anfang des Semesters in Form eines Readers bereit. Eine Auswahlbibliographie wird ebenfalls zur Verfügung gestellt werden. Themen für Referate und Seminararbeiten können ab September in meinen Feriensprechstunden abgesprochen werden. Als Einführungslektüre sei neben den vorab zu erwerbenden und bereits zu lesenden (!!) Texten von Voltaire und Zola empfohlen:
Michel Winock, « L'écrivain en tant qu'intellectuel », Mil neuf cent. Revue d'histoire intellectuelle 1/2003 (n° 21) , p. 113-125
URL : www.cairn.info/revue-mil-neuf-cent-2003-1-page-113.htm. |