In diesem Klassikerseminar handelt es sich um eine Fortführung des Lektürekurses zu Martin Heideggers Hauptwerk Sein und Zeit. Da das Seminar mit der gemeinsamen Lektüre ab §12 beginnt, werden für die Teilnahme Grundkenntnisse der ersten elf Paragraphen (bis S. 52) vorausgesetzt. Im zweiten Teil des Seminars werden mögliche Anschlüsse/Brüche an Heidegger diskutiert.
Heidegger entwickelt seine sogenannte „Fundamentalontologie“ in der existenzialen Analytik des Daseins, die durch die Unterscheidung zwischen dem ontisch „Seienden“ und dem ontologischen „Sein“ – der sogenannten „ontologischen Differenz“ – geprägt ist. Während das ontisch Seiende prinzipiell als empirisch zumindest annähernd „sichtbar“ beschrieben werden kann, verhält es sich mit dem „Sein“ sehr viel schwieriger. Um nicht in den Positivismus oder gar Szientismus zurückfallen zu müssen, besteht Heidegger auf diese zweite Dimension des ontologischen Seins. Das Sein ist nicht zufällig so, aber auch nicht reduzierbar auf einen ursächlichen, einzigen Grund.
Anschließend an diese Analyse Heideggers lässt sich der Postfundamentalismus als eine Art und Weise des Denkens beschreiben, die zunächst sowohl vom Fundamentalismus als auch vom Anti-Fundamentalismus abzugrenzen ist. Die antifundamentalistische Kernthese ist es, dass unsere Moderne durch eine notwendige Kontinenz, nicht Zufall, gekennzeichnet ist, die ein Letztbegründungsprojekt ausschließt. Im Anschluss an dieser These lässt sich fragen, was die Fundamente der Gesellschaft sind.
Im Seminar werden verschiedene Antworten auf diese Frage angeboten, die der Sozialontologie, der Sozialphilosophie und der politischen Philosophie: Erstens ist in Anlehnung an Heideggers Begriff der ‚Eigentlichkeit‘ eine sozialontologische Rekonstruktion der Gemeinschaft möglich. Hans Bernhard Schmid nutzt diese Rekonstruktion des Mitseins für eine Kritik am ontologischen Individualismus/Intentionalismus. Zweitens entwickelt Rahel Jaeggi eine nicht-essentialistische Theorie der Entfremdung, die an das Selbstverhältnis des Einzelnen in der Analyse des Mitseins anschließt. Drittens schließt Oliver Marchart an der ontologischen Differenz an, indem er eine Konzeption der Differenz zwischen dem empirischen Begriff der Politik und dem philosophischen Begriff des Politischen entwickelt, um so die Grundlegung des Sozialen angemessen thematisieren zu können.
Voraussetzung zur Teilnahme ist die regelmäßige Anwesenheit und rege Beteiligung im Seminar. Außerdem werden die Bereitschaft zur detaillierten Textvorbereitung und eine hohe Lesebereitschaft unbedingt vorausgesetzt. Alle Teilnehmenden werden gebeten, sich das Werk Sein und Zeit im Vorfeld zu beschaffen. |