Kommentar |
Fußgängerzonen oder Einkaufsstraßen bilden in vielen Städten ein Zentrum, in dem es zu zufälligen Interaktionen, ziellosem Schlendern, spontaner, aber dennoch höchst instrumenteller Nutzung von städtischem Raum kommt. Mit Beginn der Corona-Pandemie sind Fußgängerzonen von belebten Kreuzungspunkten zunächst zu ausgestorbenen Orten und dann zu potentiellen Gefahrenzonen für Infektion geworden. Als vormals wirtschaftlich bedeutsame Bereiche der Innenstädte sind sie zudem Gegenstand von haushalterischer und städteplanerischer Sorge geworden.
Dem Seminar kommt es darauf an, dem Begriff der Fußgängerzone das Selbstverständliche zu nehmen und ihn stattdessen zu erkunden; in diesem Sinne werden Beobachten und Beschreiben zur Seminarpraxis. Dazu muss der Begriff vor allem dekomponiert und zugleich kontextualisiert werden: Was sind die Sinnhorizonte der Ausdrücke »Fußgänger:in« und »Zone«, in welchen Formen kommen beide gesellschaftlich, kulturell, historisch vor, und wie verändern sie sich durch das Kompositum? Welche der beiden Seiten dominiert den Begriff, was also entscheidet über seinen Sinn: das Zufußgehen oder dessen Einhegung?
Das Seminar erarbeitet sich anhand von zwei Beobachtungsorten (Essen und Friedrichshafen) ein Verständnis der Stadt im Allgemeinen und der Fußgängerzone im Besonderen als kulturell und individuell, institutionell und situativ, medial und operativ je anders erfahrene Differenz von Innen (Zone, Fußgänger:innen) und Außen (Stadt, Autoverkehr). Das Seminar interessiert sich zudem für alle möglichen Alltagspraktiken, die insbesondere den Konsum und die darüber organisierte Vergemeinschaftung betreffen. Daraus ergeben sich zahllose Fragen, die im Seminar selbst in ein Arbeitsprogramm übersetzt und darauf aufbauend diskutiert werden, z.B.: Welche Art von Gastronomien finden sich hier, wie wird durch die »FuZo« Shopping als Hobby gefördert, welche Formen prekärer Arbeit ermöglichen dies? Was ist der städtebauliche Sinn von Fußgängerzonen: der Schutz von Fußgänger:innen oder deren Zurückdrängung, also letztlich: der Schutz des Autoverkehrs? Ist die Einrichtung von Fußgängerzonen ein Vorwand, um dem Autoverkehr die überbordend weitere Stadtlandschaft zu überlassen? Finden sich Zeitordnungen dergestalt, dass Fußgängerzonen entweder verschwinden (»Bürgersteige werden hochgeklappt«) oder sich behaupten (Partymeilen, Straßenfeste, Biergärten)? Setzen sich Beschleunigungsideale (Fahrräder und eine Vielzahl an quasisportlichen Geräten) durch, und finden sich Verlangsamungsstrategien (Stadtmöblierungen)? Lassen sich Segregationen im Kontext der Fußgängerzone beobachten, also Verdrängungen oder Marginalisierungen von Rollstühlen, Gehhilfen, Kinderwagen? |
Bemerkung |
Verantwortend: Hanna Engelmeier, Maren Lehmann - Kooperatives Seminar (Kulturwissenschaft & Soziologie) KWI & ZU
Fächer: Soziologie, Literaturwissenschaft, Kulturwissenschaft, Medienwissenschaft, Kommunikationswissenschaft
Termine: Einführung, Vorbesprechung tba (digital) Teil 1: 10./11.2. (Essen) Teil 2: 10./11.3. (Friedrichshafen)
Teilnahmebedingungen: Das Seminar richtet sich an Studierende ab dem 3. B.A. Semester und Studierende im Master. Eine Teilnahme ist ausschließlich nach Voranmeldung bei Maren Lehmann und Hanna Engelmeier möglich, bitte mailen Sie dazu eine kurze Begründung, warum und wie Sie teilnehmen möchten an maren.lehmann@zu.de und hanna.engelmeier@kwi-nrw.de. Die Zahl der Teilnehmenden ist auf insgesamt 20 Personen beschränkt.
Die Reisekosten für die Teilnahme an dem Seminar (Fahrt nach Friedrichshafen/Essen, Hotelübernachtung) werden für die Teilnehmenden übernommen.
Credits: Das Seminar wird mit dem nötigen Punktestand für die jeweilige Modulabschlussprüfung creditiert. Die Details werden individuell mit den Dozierenden zu Veranstaltungsbeginn besprochen. |