Kommentar |
Die historische Entwicklung des Menschenrechtsdiskurses ist vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts immer wieder durch literarische Interventionen geprägt worden, die sich, oftmals aus dem sogenannten Globalen Süden heraus, mit der Frage danach beschäftigen, für wen und in welchem Umfang die 1948 proklamierten Menschenrechte tatsächlich gelten. Besonders die im lateinamerikanischen Kontext verbreitete Testimonio-Literatur hat für Kontroversen um die Verhandlung von Menschenrechten in der Literatur gesorgt. In diesem Zuge entwickelten sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts Strömungen der Rechts- und Geisteswissenschaften, in denen die Verbindung zwischen literarischen Texten und Menschenrechten genauer betrachtet wurde. Nach einer historisch-theoretischen Einführung in das Testimonio, die uns bis in die Zeit der kolonialen Inquisitionstribunale zurückführt, werden wir im Proseminar anhand exemplarischer Texte des 20. und 21. Jahrhunderts untersuchen, welche Rolle Literatur einnehmen kann, wenn ein Rechtsstaat bröckelt und Räume begrenzter Staatlichkeit auftreten. Zugleich beschäftigen wir uns mit der Frage, inwiefern Menschenrechtsthemen die lateinamerikanische Gegenwartsliteratur beeinflussen.
Literaturhinweise:
▪ Barbara Foley, Telling the Truth. The Theory and Practice of Documentary Fiction, Ithaca/London 2018.
▪ Kimberly Nance, Can literature promote justice? Trauma narrative and social action in Latin American testimonio, Nashville 2006.
▪ Fernando J. Rosenberg, After Human Rights. Literature, Visual Arts, and Film in Latin America, 1990–2010, Pittsburgh 2016. |