Das ‚Mittelalter‘ erfreut sich großer Beliebtheit in kulturellen Erzeugnissen und Alltagspraktiken breiter Bevölkerungsgruppen: Mittelaltermärkte (auch an völlig unpassenden Orten wie Marktplätzen aus den 1960er Jahren und Renaissance-Wasserschlösser) ziehen zehntausende Besucher an, Mittelalter-bezogene Musik und Publikumsliteratur erleben seit Jahren einen Boom, und auch in der internationalen Filmwelt ist das ‚Mittelalter‘ angekommen, man denke an Robin Hood – König der Diebe (1991) und Robin Hood (2010), King Arthur (2004) und King Arthur: Legend of the Sword (2017), aber auch die Persiflage Die Ritter der Kokosnuß (1975) und ‚Literatur‘verfilmungen wie Die Wanderhure (2010), die ein riesiges Publikum erreicht haben. Und ein britischer Buchautor und Journalist wie Dan Jones landet mit populärhistorischen Sachbüchern über das Mittelalter internationale Bestseller-Erfolge.
Damit ist das ‚Mittelalter‘ weiterhin vielfach Gegenstand von Adaption und Rezeption, wenngleich diese Techniken teilweise kontrovers, teilweise diffus und nicht immer adäquat sind. Das ‚Mittelalter‘ wird dabei häufig nicht als einigermaßen klar abgrenzbare kulturell-historische Epoche verstanden, sondern als Folie für ein immer wieder subjektiv-suggestives, ‚gefühliges‘ Verständnis einer Zeit vor unserer ‚Moderne‘ (seit der Reformation oder sogar später), die von Rittern, Burgfräulein, einem stark ständisch-feudalen System, von Magie, Märchen und Mythos geprägt ist und damit Eingang ins ‚kulturelle Gedächtnis‘ gefunden hat, sei es durch ätiologische Erzählungen oder eben populär kulturelle Produkte und Programme, auch mit Blick auf das Genre der Fantasy.
Das Seminar will daher der Mittelalterrezeption in der zeitgenössischen Populärkultur nachgehen. Im Fokus steht das gesamte mediale Spektrum: Literatur, Film, Musik (v.a. Heavy Metal); und ebenso sollen Events und Orte mit spezifischem ‚Mittelalter‘bezug sowie Pen-and-Paper-Rollenspiele in den Blick genommen werden. Anhand dieser Produkte sollen spezifische Fragen zur Mittelalterrezeption untersucht werden: Was könnte ‚Mittelalter‘ heute eigentlich noch bedeuten? Welche Bilder des ‚Mittelalters‘ existieren? Welche Elemente werden beigemischt und wozu dient das Mittelalterbild? Wie werden wir durch diese spezifische Rezeption und Adaption beeinflusst?
Ausgangspunkt der Überlegungen im Seminar ist Umbertos Ecos Roman Der Name der Rose. Ebenso werden das Nibelungenlied und zwei zeitgenössischen Rezeptionen behandelt: Hagen von Tronje. Ein Nibelungen-Roman von Wolfgang Hohlbein und Die Nibelungen. Ein deutscher Stummfilm von Felicitas Hoppe. Ausschnitte aus Musik (In Extremo, Blind Guardian, Faun etc.) und Film (Der Name der Rose, Der 13. Krieger) werden im Seminar zur Verfügung gestellt.
Die Texte sind als Taschenbücher im stationären und Online-Buchhandel erhältlich. Voraussetzung für die Teilnahme ist die Vorablektüre von Der Name der Rose, da das Seminar mit der Besprechung dieses Romans eröffnet.
Umberto Eco: Der Name der Rose. München 1986
Das Nibelungenlied. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Herausgegeben von Ursula Schulze. Stuttgart 2011
Wolfgang Hohlbein: Hagen von Tronje. Ein Nibelungen-Roman. Berlin 2022
Felicitas Hoppe: Die Nibelungen. Ein deutscher Stummfilm. Berlin 2023 |