Gruppe 1: Von der Shoah erzählen (Jean Améry, Fred Wander, Ruth Klüger) (PD Dr. Stefan Hermes)
Regelmäßig ist das Menschheitsverbrechen der Shoa als etwas buchstäblich Unsagbares apostrophiert worden, als ein Ereignis, über das sich nicht (angemessen) sprechen oder schreiben lässt. Und doch haben (nicht nur) Überlebende immer wieder den Versuch unternommen, den von Deutschen ins Werk gesetzten Genozid an den europäischen Jüdinnen und Juden im Medium der Literatur zu beschreiben und zu deuten. Drei deutschsprachige Veröffentlichungen unterschiedlicher Gattungszugehörigkeit, die in diesem Zusammenhang kanonischen Rang erreicht haben, wollen wir im Seminar lesen und analysieren: Jean Amérys Essaysammlung Jenseits von Schuld und Sühne (1966), Fred Wanders Roman Der siebente Brunnen (1971) und Ruth Klügers Autobiographie weiter leben (1992). Darüber hinaus werden wir (in Übersetzung) ein einschlägiges nicht-deutschsprachiges Werk behandeln, etwa Primo Levis Ist das ein Mensch? (1947) oder Imre Kerteszʼ Roman eines Schicksallosen (1975). Die Auswahl treffen wir zu Semesterbeginn gemeinsam.
Bitte schaffen Sie die Texte von Améry, Wander und Klüger im Vorfeld in einer beliebigen Ausgabe an, ggf. antiquarisch. Vor Seminarbeginn zu lesen ist der schmale Einführungsband von Wolfgang Benz: Der Holocaust, 9., aktualisierte Auflage, München 2018 (9,95 EUR).
Gruppe 2: Kriminalität in der Literatur (von Schiller bis Storm) (PD Dr. Stefan Hermes)
Verbrechen aller Art bilden seit jeher einen zentralen Gegenstand (nicht nur) der deutschsprachigen Literatur. Es überrascht daher nicht, dass auch zwischen dem ausgehenden 18. und dem späten 19. Jahrhundert zahlreiche einschlägige Werke entstanden sind: Behandeln wollen wir im Seminar sowohl Dramen wie Schillers Die Räuber (1781) und Büchners Woyzeck (1836/37) als auch Erzählungen wie Schillers Der Verbrecher aus verlorener Ehre (1786), Kleists Der Findling (1808) und Storms Ein Doppelgänger (1886). Dabei wird nicht zuletzt zu diskutieren sein, auf welche Weise die Texte jene Veränderungen des Kriminalitätsdiskurses reflektieren, zu denen es im Zeitalter der Aufklärung kam. So betrachte man Verbrecher:innen nicht mehr nur als gottlose Sünder:innen, sondern suchte zusehends die sozialen und/oder psychischen Faktoren zu ergründen, die sie zu ihren Taten veranlassten. Überdies fand das Ideal der Gleichheit vor dem Gesetz immer größere Verbreitung, und sowohl das Polizei- und Gerichtswesen als auch gängige Bestrafungspraktiken wurden erheblich reformiert. Wie also hat sich derlei in den genannten Werken niedergeschlagen? Und inwiefern inszenieren diese das Leben von Verbrecher:innen als ein zutiefst erbärmliches – oder aber, ganz im Gegenteil, als durchaus faszinierende Daseinsform? Mit diesen und anderen Fragen wollen wir uns in dem Kurs beschäftigen.
Bitte schaffen Sie alle genannten Texte in der Reclam-Ausgabe an. Sofern eine Reclam-XL-Ausgabe existiert, wählen Sie bitte diese.
Gruppe 4: POETS in Residence 2025: Ralf Rothmann (Prof. Dr. Alexandra Pontzen) (Die 16-18)
Ralf Rothmann gehört zu den prägenden Stimmen der (west-)deutschen Literatur der Gegenwart. Seit seinem Romandebüt Stier (1991) begleitet, gestaltet und reflektiert er gesellschaftliche Entwicklungen in literarischen Texten, die häufig individuelle Lebenswege an entscheidenden Stationen betrachten. Auch seine Erzählformate verweisen auf (literar-)historische Traditionen und motivgeschichtliche Linien.
Das Seminar widmet sich verschiedenen Werkkomplexen: - den (autofiktionalen) Ruhrgebiets-Romanen (mit Milch und Kohle und Junges Licht), die auch unter dem Gesichtspunkt einer neuen Regionalliteratur gelesen werden können; - den Erzählungen, die häufig Tiermotive und existenzielle Empfindungen ins Zentrum stellen (exemplarisch den Bänden Rehe am Meer und Museum der Einsamkeit) und formalgeschichliche Einflüsse von Kurzgeschichte und short Story aufweisen: - der Zweit-Weltkriegs-Trilogie (exemplarisch: Im Frühling sterben), die als Vater- wie als Kriegs-Kinder-Literatur gelesen werden kann; sowie - den Berlin-Romanen (exemplarisch: Feuer brennt nicht), die mit Wiedervereinigung und Ost-West-Begegnungen jüngere deutsch-deutsche Ereignis- wie Mentalitätsgeschichte reflektieren.
Alle Texte sind im Suhrkamp Verlag erschienen und (bis auf den aktuellen Band Museum der Einsamkeit) als Taschenbücher erhältlich. Sie sind anzuschaffen und zu lesen.
Das Seminar ist Teil der diesjährigen Jubiläumsveranstaltung 50 JAHRE POET in RESIDENCE, in deren Rahmen der Autor zu Gast an unserer Universität sein, aus seinem aktuellen Buch lesen und mit uns diskutieren wird. Die Vorbereitung und der Besuch der drei Lesungen von AutoriNNEN (am 4.,11. und 18. November, jeweils um 16 Uhr) ist verpflichtend und Teil des Seminars.
TEILNAHMEBEDINGUNGEN und andere Formalia werden in der ersten Sitzung besprochen. Aktive Seminarmitgestaltung durch Diskussion und Expertise werden vorausgesetzt.
Gruppe 5: Poetiken und Texte der Gegenwart (Prof. Dr. Corinna Schlicht) - Raum: R12 V05 D81
Rund um den Poet in Residence befassen wir uns in diesem Seminar mit verschiedenen poetologischen Positionen und Stimmen der zeitgenössischen deutschsprachigen Literatur. Wir besuchen gemeinsam die drei Poetiklesungen im November (am 4.,11. und 18. November, jeweils zu unserer Seminarzeit) und lesen und diskutieren die Texte unserer Gast-Schriftsteller*innen. Teilnahmebedingung ist das Interesse an Textlektüren und die verbindliche Mitarbeit im Laufe des Semesters.
Grundlage unseres Seminargesprächs sind folgende Titel, die Sie bitte kaufen und gründlich durcharbeiten:
- Karosh Taha: Im Bauch der Königin (Roman)
- Ingo Schulze: Simple Storys (Roman)
- Ingo Schulze: Tausend Geschichten sind nicht genug (Leipziger Poetikvorlesungen) --> wird zu Semesterbeginn zur Verfügung gestellt.
- Dinçer Güçyeter: Mein Prinz, ich bin das Ghetto (Gedichte)
- Ralf Rothmann: Vollkommene Stille (Erzählungen)
Die Forschungsliteratur wird in der ersten Sitzung bekanntgegeben.
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