Kommentar |
Russland war im 19. Jahrhundert nicht nur ein Staat, sondern in den Augen vieler russischer Intellektueller auch eine politische Idee. Dabei wurde das Zarenreich vor allem durch einen Gegensatz zu den aufgeklärten, liberalen und „materialistisch“ orientierten Staaten Europas definiert, indem es für eine tiefe Religiosität stand, die nicht nur die nationale Identität, sondern auch das politische Handeln und den Gesellschaftsaufbau prägte. Mit diesem Selbstverständnis trat Russland zudem an die Spitze der panslawistischen Bewegung, die von der Einigung aller slawischen Völker auch die Rettung Europas in einem geistigen Sinne erhoffte. Sogar den expansionistischen Absichten in Richtung des Bosporus wohnte eine politische Theologie inne: Die (Wieder-)Eroberung Konstantinopels und die (Wieder-)Weihung der Hagia Sophia zu einer christlichen Kirche sollten ein Symbol für das auch spirituelle Großreich des Zaren schaffen.
Das Seminar wird programmatische Texte russischer Intellektueller in deutscher Übersetzung lesen. |
Literatur |
Dostoyevsky, Fyodor, Sämtliche Werke 13: Politische Schriften, digitale Ausgabe 2024.
Puschkin, Alexander, Gesammelte Werke. Bd. 5: Aufsätze und Tagebücher, Frankfurt a.M. 1973.
Tolstoi, Leo, Gesammelte autobiografische und politische Schriften, E-Book 2014. |