Kommentar: |
Als „den einzigen Anfang aller wahren Geschichte“ zeichnete Immanuel Kant – und er zitierte damit David Hume – Thukydides’ Darstellung des Peloponnesischen Krieges aus. Im modernen Verständnis gilt er im Vergleich zu seinem unmittelbaren Vorgänger Herodot, dem „Vater der Geschichte“, allgemein als der kritischere Autor. Als Zeitgenosse verfasste er in analytischer Anspannung auf der Suche nach den Bewegkräften der Geschichte eine dichte Beschreibung der Ereignisse seit Ausbruch des Krieges und seiner unmittelbaren Vorgeschichte. Um das Außerordentliche seines Gegenstandes zu begründen, stellt er eine Rückschau auf alle ältere Geschichte voran, die sog. Archäologie, ‚Alte Geschichte’ (1,2-19). Darüber verfügt er über nur ganz spärliche Nachrichten. Um so interessanter erscheint es zu beobachten, wie er aus diesen einen stimmigen roten Faden des Geschichtsverlaufs konstruiert. Wie wir heute sagen: in der (Re-)Konstruktion der Vergangenheit drücken sich die Zukunftserwartungen aus. Dabei steht gerade in der Archäologie des Thukydides das Verhältnis von Ökonomie und Politik als den Triebkräften der Geschichte im Fokus.
Die Übung bietet Gelegenheit, in der Regel mühsam erworbene Griechischkenntnisse an dem überschaubaren Stück eines klassischen Textes der Historiographie im originalen Wortlaut zu erleben. Parallel dazu soll mit Hilfe einer Übersetzung eine Vorstellung des ganzen Geschichtswerks des Thukydides erarbeitet werden.
Anforderungen: die Bereitschaft, sich griechische Textpassagen in wöchentlicher Vorbereitung zu erschließen und sich in kursorischer Lektüre mit dem ganzen Werk vertraut zu machen. |
Literatur: |
Thukydides, Der Peloponnesische Krieg, deutsch von Helmut Vretska, Stuttgart 1966 (Reclam UB 1808). – Deutsch von Georg Peter Landmann (1960), 3. Aufl. Berlin 2011.
Antonios Rengakos, Thukydides, in: Bernhard Zimmermann (Hg.), Handbuch der griechischen Literatur der Antike (im Hb. der Altertumswissenschaft) Bd.1, München 2011, 381-417.
Stefan Meineke, Artikel ‚Thukydidismus’, in: Der Neue Pauly 15/3 (2003), 480-494. |