Hier die Einzelkommentare zu den jeweiligen Veranstaltungen:
Jung, Prof. Dr. Werner: Erzähler, Medienautor, Essayist: Dieter Wellershoff: In dieser Veranstaltung soll es darum gehen, anhand einiger Texte des im letzten Jahr verstorbenen Kölner Schriftstellers ins Werk eines vielseitigen, die Literatur der Nachkriegszeit in der Bundesrepublik beeinflussenden Autoren kennenzulernen. Zur Anschaffung: Dieter Wellershoff: Der Liebeswunsch (Kiwi); andere Texte werden in einem Reader bereitgestellt.
Hermes, Dr. Stefan: Exillyrik
Immer fand ich den Namen falsch, den man uns gab: Emigranten. Das heißt doch Auswanderer. Aber wir Wanderten doch nicht aus, nach freiem Entschluß Wählend ein anderes Land. Wanderten wir doch auch nicht Ein in ein Land, dort zu bleiben, womöglich für immer. Sondern wir flohen. Vertriebene sind wir, Verbannte. Und kein Heim, ein Exil soll das Land sein, das uns da aufnahm.
Bertolt Brecht
Bekanntlich hatte die Machtübernahme der NSDAP im Januar 1933 unter anderem zur Folge, dass zahlreiche SchriftstellerInnen gezwungen waren, das Reichsgebiet zu verlassen und sich auf unbestimmte Zeit im Ausland aufzuhalten, erst in Europa, bald auch auf anderen Kontinenten. Dort schufen einige von ihnen Werke, die zum Kernbestand der deutschsprachigen Literatur der Moderne zählen – nicht zuletzt in der Gattung der Lyrik, der sich das Seminar widmet. Analysieren werden wir also exemplarische Gedichte von Bertolt Brecht, Else Lasker-Schüler oder Nelly Sachs, aber auch von heute weniger prominenten AutorInnen wie Erich Arendt, Johannes R. Becher, Hilde Domin, Mascha Kaléko oder Hans Sahl. Ergänzend soll eine Reihe politischer und poetologischer Schriften Berücksichtigung finden, in denen zentrale Gesichtspunkte des Lebens und Schreibens im Exil zur Sprache kommen.
Im skizzierten Zusammenhang sind vor allem folgende Fragen zu erörtern: Welches Bild vermitteln die Texte von den Zuständen im 'Dritten Reich' – und wie stellen sie die Lage im Exilland dar? Auf welche Weise wird das intrikate Verhältnis von (unerreichbarer) Heimat und (zusehends vertrauter) Fremde gestaltet? Inwiefern künden die Gedichte von einem Bemühen um Akkulturation – und wo wird diese programmatisch verweigert und stattdessen das 'andere Deutschland' repräsentiert? Welche politischen oder auch religiösen Überzeugungen transportieren die Texte – und welche tradierten 'Gewissheiten' dekonstruieren sie? Gelangen dabei primär etablierte Schreibverfahren zur Anwendung – oder erforderte die Exilsituation neue poetische Formen? Im Bewusstsein zu halten ist überdies die Tatsache, dass es sich bei der Exil-Problematik keineswegs um ein rein historisches Phänomen handelt: Vielleicht lehrt uns die Beschäftigung mit der Lyrik derer, die einst aus Deutschland vertrieben wurden, ja auch etwas über unseren Umgang mit jenen Menschen, die hier gegenwärtig Zuflucht suchen.
Im Vorfeld anzuschaffen ist der folgende Band: Wolfgang Emmerich und Susanne Heil (Hg.): Lyrik des Exils, bio-bibliographisch ergänzte Ausgabe, Stuttgart 1997 (Reclams Universal-Bibliothek Nr. 8089). Weitere Texte werden in digitaler Form zur Verfügung gestellt.
TEILNAHME-BEDINGUNGEN Zu erbringende Studienleistungen bzw. Bedingungen zum Erwerb eines Leistungsnachweises werden in der ersten Sitzung bekannt gegeben.
Gutsche, PD Dr. Victoria: Wilhelm Meisters Lehrjahre
Wilhelm Meister, Sohn eines wohlhabenden Kaufmannes, will Schauspieler werden. Er schließt sich einer Theatertruppe an und feiert zunächst große Erfolge, bevor er sich der mysteriösen Turmgesellschaft anschließt und am Ende seine geliebte Natalie heiratet. Soweit – ganz knapp – der Inhalt des Romans. Liest man den Roman jedoch genauer, entfaltet sich schnell ein Panorama der unterschiedlichsten Themen: Neben dem Theaterwesen des 18. Jahrhunderts geht es im Roman um Familienverhältnisse, Adel und Bürgertum, Ökonomie und Kunst, Pietismus und Freimauerei, Pädagogik und Erfahrungsseelenkunde, Philosophie und Naturwissenschaften und vieles mehr.
Im Seminar wollen wir uns diesen Themen widmen, indem wir den Roman einer genauen Analyse unterziehen und auch unterschiedliche methodische Zugangsweisen am Text erproben. Darüber hinaus werden wir auf die Wirkungsgeschichte eingehen.
Eine detaillierte Literaturliste wird zu Beginn des Seminars bekanntgegeben.
Steinmayr, Dr. Markus: Joseph von Eichendorff: Essays und Erzählungen (Kein Lehrveranstaltungs-spezifischer Kommentar.)
Jung, Prof. Dr. Werner: Kleists „Erdbeben in Chili“: Anhand dieses kanonischen Textes der deutschen Literatur sollen Verfahrensweisen des wissenschaftlichen Arbeitens sowie Methoden der Literaturwissenschaft erprobt werden. Zur Anschaffung: Heinrich von Kleist: Das Erdbeben in Chili (Reclam-Ausgabe).
Steinmayr, Dr. Markus: Romane der Empfindsamkeit (Gellert, La Roche) (Kein Lehrveranstaltungs-spezifischer Kommentar.)
Pontzen, Prof. Dr. Alexandra: Verführte Unschuld? Töchter, Mütter, Väter und die 'Verführung' im Bürgerlichen Trauerspiel von Lessing bis Schnitzler
Behandelt werden folgende Dramen: Ephraim Lessing: Emilia Galotti (Suhrkamp Basisbibliothek) – Friedrich Schiller: Kable und Liebe (Suhrkamp Basisbibliothek)- Friedrich Hebbel: Maria Magdalena (Reclam XL Text und Kommentar) – Arthur Schnitzler: Liebelei (reclam)
TEILNAHME-BEDINGUNGEN Zu erbringende Studienleistungen bzw. Bedingungen zum Erwerb eines Leistungsnachweises werden in der ersten Sitzung bekannt gegeben.
van Gemert: Titel: Der ‚Iwein‘ Hartmanns von Aue
Kommentar:
Anhand des wohl zu Beginn des 13. Jahrhunderts entstandenen Artusromans ‚Iwein‘ Hartmanns von Aue (um 1165 – um 1215) soll die Praxis der Interpretation von mittelalterlichen Erzählwerken eingeübt und in die Techniken des literaturwissenschaftlichen Arbeitens eingeführt werden. In 13 Episoden, die eine bunte Abenteuerkette darstellen, durchläuft Iwein, der ‚Ritter mit dem Löwen‘, den für den Artusroman typischen doppelten Weg, der von der Eroberung der geliebten Frau über deren Verlust durch eigene Verschuldung zu deren erneuter Gewinnung, und zwar für immer, führt. Insgesamt ermöglicht Hartmanns ‚Iwein‘ eine differenzierte Sicht auf höfische Idealvorstellungen.
Literatur:
Dem Seminar wird folgende Textausgabe zu Grunde gelegt: Hartmann von Aue: Iwein. Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch. Herausgegeben und übersetzt von Rüdiger Krohn. Kommentiert von Mireille Schnyder. Stuttgart 2012. (= Reclams Universal-Bibliothek 19011). ISBN 978-3-15-019011-1.
Leistungsnachweis:
Die zu erbringenden Leistungen bzw. Bedingungen zum Erwerb eines Leistungsnachweises bzw. eines Teilnahmenachweises werden in der ersten Sitzung bekannt gegeben.
Zimmer: Titel: Fabeln und Sprichwörter bei Martin Luther
Ort:
Campus Essen, Raum T03 R02 D26, Freitag bis Sonntag, 22. bis 24. Mai 2020, jeweils von 8 bis 18 Uhr c.t.
Kommentar:
"Iss, was gar ist. Trink, was klar ist. Red, was wahr ist." Bei Tisch und in vielen seiner Texte, die sich an ein breites Publikum richten, nutzt Martin Luther gern und oft Sprichwörter und sprichwörtliche Redensarten. Er weiß, wie es ist, "in den sauren Apfel zu beißen". Er beklagt, dass Bewerber "durch den Korb" fallen, weil sie nicht so gut aussehen. Und er polemisiert: "Wer nicht Kalk hat, muss mit Kot mauern." Er meint damit, dass es zu jeder Zeit Leute gibt, die keine Ahnung haben und doch ihren Senf dazu tun müssen. In diesem Seminar zur "Exemplarischen Textanalyse II" schauen wir uns die Bedeutung von Sprichwörtern und Redensarten bei Luther genauer an.
Der amerikanische Germanist James C. Cornette hat bereits 1942 durchgezählt: Luther setzt insgesamt 4987 dieser zunächst mündlich überlieferten Mikrotexte ein. Er entdeckt diesen Sprachschatz neu, als er 1530 antike Fabeln bearbeitet, damit diese im Schulunterricht und zu Hause eingesetzt werden können. In der Tradition der antiken Rhetorik verwendet der Reformator die erprobten und über Generationen geschliffenen Fertigteile bei vielen Gelegenheiten, um „allgemeine Wahrheiten und Lehrinhalte zu konkretisieren“. Der genauere Blick auf Fabel und Sprichwort wird zudem zeigen, dass diese ältesten Textsorten immer noch hochaktuell sind, sprachlich und menschlich.
Vier Wochen vor Beginn des Blockseminars finden Sie im zugehörigen Moodle-Kursraum Quell- und Sekundärtexte sowie Literaturangaben.
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