Kommentar: |
„Ganze Jahrhundert lang hat Europa nun schon den Fortschritt bei anderen Menschen aufgehalten und sie für seine Zwecke und zu seinem Ruhm unterjocht; ganze Jahrhunderte hat es im Namen seines angeblichen ‚geistigen Abenteuers‘ fast die gesamte Menschheit erstickt. […] Für die Dritte Welt geht es darum, eine Geschichte des Menschen zu beginnen, die den von Europa einst vertretenen großartigen Lehren, aber zugleich auch den Verbrechen Europas Rechnung trägt […]. Für Europa, für uns selbst und für die Menschheit, Genossen, müssen wir eine neue Haut schaffen, ein neues Denken entwickeln, einen neuen Menschen auf die Beine stellen.“
Die Worte stammen aus Frantz Fanons Schlusskapitel der deutschen Übersetzung „Die Verdammten dieser Erde“. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung, 1961, erlangten etliche afrikanische Länder ihre Unabhängigkeit oder aber es formierte sich Widerstand gegen die kolonialen Regierungen. Dies mag gewiss die breite Rezeption des Buches begünstigt haben, aber es war auch die Radikalität und der universelle Anspruch, die den Ausführungen des Schriftstellers und Psychologen aus Martinique internationale Aufmerksamkeit verschafften. Fanons Schlussworte sind ein Appell, beschwören nicht nur die Loslösung von alten Mustern, sondern weitaus zukunftsorientierter die Erschaffung eines Menschen, der sich der Erfahrungen der Vergangenheit stellt, ohne sich von ihnen erdrücken zu lassen. Der französische Philosoph Jean-Paul Sartre merkt in seinem Vorwort zu „Die Verdammten dieser Erde“ an, dass Fanons Interesse kaum den Kolonisierenden galt. Entsprechend hoch war der Einfluss Fanons auf die jeweiligen Gruppierungen und Strömungen, die sich gegen die koloniale Repression stellten, darunter afrikanische nationalistische Bewegungen, aber ebenso US-amerikanische wie die Black Panters.
Zwar war die Beschäftigung mit Fanons Werk nie ganz verklungen, jedoch hatte sie in den letzten Jahren einen erneuten – wenn auch mitunter indirekten – Aufschwung erfahren, so im Zuge der Auseinandersetzungen mit rassistischen Strukturen in hiesigen Gesellschaften.
Im Mittelpunkt der Übung/dem Lektürekurs steht die intensive Beschäftigung mit Fanons „Die Verdammten dieser Erde“. Zudem wird an einzelnen Beispielen auf die Rezeption Fanons eingegangen.
Die Veranstaltung richtet sich ausdrücklich auch an diejenigen, die sich bislang noch nicht mit Fanon als Person und/oder seinem Werk auseinandergesetzt haben.
Es wird eine erhöhte Lesebereitschaft vorausgesetzt – auch im Hinblick auf englischsprachige Literatur!!
Bitte besorgen Sie sich folgende Publikation:
Fanon, Frantz, Die Verdammten dieser Erde. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 2017.
Falls Sie bereits eine andere Ausgabe besitzen, können Sie in der Veranstaltung natürlich auch diese verwenden. |