Amnestie oder Amnesie? Aufarbeitung von Unrechtsregimen im Vergleich
SoSe 2022; montags 14-18 Uhr
START des Seminars: 4. April 2022, 16 Uhr, Präsenz; synchron-online nach Bedarf zu den angegebenen Zeiten nach Absprache
Nach dem Zusammenbruch der autokratischen Regime ergibt sich für junge Demokratien häufig ein zentrales Problem: Wie verhalte ich mich zum Unrecht und den Menschenrechtsverletzungen in einem vorangegangenen autokratischen System? Wähle ich den Weg einer schonungslosen Aufarbeitung – mit der Gefahr die Bevölkerung zu spalten und das gerade erst entstandene System mit Konflikten zu belasten? Oder entscheide ich mich für Amnestie und Amnesie – mit der Gefahr, dass ein bestimmtes Kapitel der Vergangenheit unbewältigt bleibt und nicht aufgearbeitet wird? Und was geschieht in Staaten, in denen das Unrechtsregime von einem Kolonialstaat ausging? Typische Formen der Aufarbeitung sind Wahrheitskommissionen, Lustration, Gerichtsverfahren oder Historikerkommissionen. Dabei muss zwischen einer juristischen, einer politischen und einer wissenschaftlichen Aufarbeitung unterschieden werden. Im Seminar soll der Frage nachgegangen werden, welche Wege der Aufarbeitung des vergangenen Unrechts in denjenigen Staaten beschritten wurden, die Opfer von Völkermord wurden, und welche Konsequenzen diese Entscheidungen für den Demokratisierungsprozess und die politische Kultur in den jeweiligen Ländern besitzen. Als Beispiele werden die Völkermorde in Namibia, Kambodscha, Ruanda und Bosnien herangezogen. Das Seminar arbeitet mit Diskussionen, Gruppenarbeiten, Referaten und Dokumentationen. Als Prüfungsleistung ist eine Hausarbeit zu schreiben.
Literatur:
König, Helmut 2008: Politik und Gedächtnis. Velbrück: Weilerwist.
Molden, Berthold/Mayer, David (Hrsg.): 2009: Vielstimmige Vergangenheiten – Geschichtspolitik in Lateinamerika. Berlin: LIT Verlag.
Fischer, Martina 2011: Transitional Justice and Reconciliation: Theory and Practice, in Advancing Conflict Transformation: The Berghof Handbook II eds. B. Austin, M. Fischer, H. J. Giessmann, Barbara Budrich Publishers, Opladen/Framington Hills, pp. 406-430
Haider, Huma 2011: Factors Contributing to Transitional Justice Effectiveness, GSDRC Helpdesk Research Report, Governance and Social Development Resource Centre, Birmingham, UK
Mihr, Anja/Pickel, Gert/Pickel, Susanne. 2018. Handbuch Transitional Justice. Wiesbaden: Springer VS.
Pickel, Susanne/Pickel, Gert 2006: Politische Kultur- und Demokratieforschung. Wiesbaden: VS-Verlag.
Schmidt, Siegmar/Pickel, Gert/Pickel, Susanne (Hrsg.) 2009: Amnesie, Amnestie oder Aufarbeitung? Zum Umgang mit autoritären Vergangenheiten und Menschenrechtsverletzungen. Wiesbaden: VS-Verlag.
Veit Straßner 2007: Die offenen Wunden Lateinamerikas. Wiesbaden: VS-Verlag.
http://www.gsdrc.org/topic-guides/justice/transitional-justice/ [alle Literatur der Webseite unter Bücher Texte pdf „Transitional Justice“]
https://www.bpb.de/apuz/297597/deutschland-namibia-und-der-voelkermord-an-den-herero-und-nama
Seminarverlauf
04.04.2022
16-18 Uhr
|
Einführung in die Thematik
Besprechung des Seminars
Grundlektüre:
Für alle Nicht-Referenten: jeweilige Kapitel in Mihr, Anja/Pickel, Gert/Pickel, Susanne. 2018. Handbuch Transitional Justice. Wiesbaden: Springer VS.à über UB online
Was ist TJ? Typen von Unrecht
Referatsvergabe über Moodle-Kurs
|
11.04.2022
14-18 Uhr
|
Gegenstand und Kontext:
Was ist Transitional Justice?
Fischer, Haider
Theorieansatz 1: König --> Diskussion: Erinnern vs. Vergessen
|
25.04.2022
|
Theorieansatz 2: Straßner --> Gruppenarbeit und Diskussion: Aufarbeiten – aber wie?
|
Inhaltsanalyse als Analyse von Dokumentationen: Leitlinien
|
Erarbeitung eines Analyserasters für Aufarbeitung und Dokumentation
|
02.05.2022 |
Aufarbeitung in Deutschland/Namibia – Referat ca. 30 Minuten + Dokumentation; Auswertung | ab 16 Uhr Diskussion mit Prof. Dr. Jürgen Zimmerer (angefragt)
|
09.05.2022 |
Aufarbeitung in Kambodscha – Referat ca. 30 Minuten + Dokumentation; Auswertung | ab 16 Uhr Diskussion mit Prof. Dr. Thorsten Bonacker, Universität Marburg
|
23.05.2022 |
Aufarbeitung in Ruanda – Referat ca. 30 Minuten + Kurzdokumentation; Auswertung | ab 16 Uhr Diskussion mit Dr. Henning de Vries
|
30.05.2022
15-19 Uhr
|
Aufarbeitung in Bosnien – Referat ca. 30 Minuten + Kurzdokumentation; Auswertung | ab 17:15 Uhr Vortrag und Diskussion Prof. Dr. Florian Bieber, Universität Graz
|
13.06.2022 |
Zusammenfassender Vergleich – Kambodscha, Bosnien, Ruanda heute
|
|
|
Allgemeine Teilnahmeanforderungen:
- regelmäßige Teilnahme
- Lesen der Lektüre
- aktive Mitarbeit im Seminar
- selbstständig erarbeitetes, kommentiertes Referat mit PowerPoint
Referat (20% der Note): Abgabe Freitag, 18 Uhr
- Handout: 1 Seite pro Person
- Länge ca. 30-40 Minuten
- „innovatives“ Element: Analyse der Dokumentation [alle analysieren à Auswertung durch die jeweiligen Referenten]
- Besprechung des Rohentwurfs eine Woche vor dem Referatstermin in der Sprechstunde
Inhalt der Präsentation
- Rahmung der Dokumentation
- Zentrale Elemente der Aufarbeitung gemäß Kriterienkatalog
- zentrale Aussagen/Fakten/Fragen von Texten
- mögliche Indikatoren für die Dokumentation
- Kritik/Diskussionsfragen
Anforderungen für einen Leistungsnachweis:
Aufbaumodul
Hausarbeit (15 Seiten) (80% der Note)
- Einleitung: Einbettung in den Forschungskontext, Fragestellung mit Fragezeichen!
- Möglich: Analyse der Dokumentation
- Darstellung eines theoretischen Modells (König/Straßner, eigene Kriterien des Seminars)
- Ableitung eigener Arbeitshypothese, methodisch begründete Fallauswahl, Operationalisierung
- Fallbeschreibung (bzw. deskriptive Auswertung von Surveydaten) im Ländervergleich entlang der Kriterien
- Fazit: Erkenntnisse aus dem Vergleich
Wahlpflichtmodul
Essay (10 Seiten)
- kritische Auseinandersetzung mit Theorien und einem Fallbeispiel
- Theorienauswahl je nach Fragestellung
Zum Download:
http://ijtj.oxfordjournals.org/
menschenrechte-durchsetzen.dgvn.de/
http://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/209414/das-massaker-von-srebrenica
weiteres siehe moodle-Kurs
Im Springerlink (über Uni DUE):
Pickel, Susanne/Pickel, Gert 2006: Politische Kultur- und Demokratieforschung. Wiesbaden: VS-Verlag.
Mihr, Anja/Pickel, Gert/Pickel, Susanne. 2018. Handbuch Transitional Justice. Wiesbaden: Springer VS. |