Kommentar: |
Die Debatte um Armut und Ungleichheit in Deutschland besteht aus einer Kombination von Fakten, Emotionen, Werten und Überzeugungen, die sich im Beziehungsgeflecht zwischen Wissenschaft, Politik und Medien abspielt und in konkrete institutionelle Praktiken Eingang findet. So erweisen sich die zunehmend lautstark geführten Diskussionen um die Rolle sozialer Ungleichheit als ein diskursiver Wettbewerb, in dem um die Definition politischer Probleme, Forderungen und Maßnahmen gerungen wird. Vor diesem Hintergrund behandelt das Seminar die Diskursivierung von Armut und Ungleichheit in Deutschland und eröffnet einen vielseitigen Einblick in verschiedene, einschlägige Themenfelder, die die öffentliche Diskussion um die politisch umstrittenen Phänomene maßgeblich prägen. Insgesamt bietet das Seminar somit ein erstes Verständnis über das Verhältnis zwischen Sprache, Ideologie und Moral in der politischen Auseinandersetzung mit Armut und Ungleichheit.
Das Seminar unterteilt sich in drei einzelne Abschnitte, die jedoch miteinander zusammenhängen. In einem ersten Schritt wird die zentrale Rolle von Diskursen und Erzählungen in der Sozialpolitik aus Sicht der interpretativen Politikforschung vorgestellt und gemeinsam diskutiert. Hier wird insbesondere auf die grundlegenden Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit sowie die damit verbundenen Weltanschauungen und Akteursgruppen in der öffentlichen Diskussion eingegangen. Der zweite Schritt widmet sich der Medialisierung von Armut und Ungleichheit am Beispiel unterschiedlicher Medien (Zeitungen, Social Media etc.), die die Subjektivität und die wachsende Thematisierung der Phänomene deutlich machen. Dabei werden die mediale Konstruktion von Armut und Ungleichheit mittels Bilder, Figuren und Deutungen hervorgehoben. Im dritten Schritt beschäftigen wir uns mit dem Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, sowohl als regierungsamtlichem Instrument als auch als zentralem Diskurstreiber. So wird ein Einblick in die Wissensproduktion und die diskursive Macht von Zahlen in der Diskussion um Armut und Ungleichheit gegeben. Zudem lernen Studierende, dass ein soziales Phänomen, wie Ungleichheit, normativ widersprüchlich bleibt und letztlich stets von der Deutungshoheit konkurrierender Erzählungen geprägt ist. |
Literatur: |
Grundlagenliteratur
Kuhlmann, Johanna und Blum, Sonja (2022): Sozialpolitische Erzählungen – Ein Vergleich narrativer Strategien in der Finanzkrise und der Corona-Krise. Zeitschrift für Politikwissenschaft.
Mikfeld, Benjamin und Turowski, Jan (2014): Sprache. Macht. Denken. Eine Einführung, in: Denkwerk Demokratie (Hg.), Sprache. Macht. Denken. Politische Diskurse verstehen und führen, Frankfurt am Main: Campus, 14-47.
Münch, Sybille (2015): Interpretative Policy-Forschung: Eine Einführung, Wiesbaden: Springer VS.
Smith Ochoa, Christopher und Yildiz, Taylan (2019): Armuts- und Reichtumsbericht im Ungleichheitsdiskurs. Working Paper Forschungsförderung 121, Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung.
Weitere Literaturhinweise werden in der ersten Sitzung bekannt gegeben. |