Gruppe 1: Pontzen, Prof. Dr. Alexandra: Geschlechter im Roman
Geschlecht ist eine zentrale Kategorie menschlicher Wahrnehmung und früher Sozialisation. Bekanntlich bestimmt gender-trouble schon seit geraumer Zeit nicht mehr nur Literaturtheorie, sondern auch gesamtgesellschaftliche Diskussionen und Veränderungen, die nicht mehr allein die Geschlechterrollen, -rechte und zuschreibungen umfassen, sonderrn auch Geschlechtlichkeit als biologische und soziale Kategorie, ihr Verhältnis zum sexuellen Begehren und zur individuellen Identität. Das Seminar behandelt drei Romane der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, die die Diversität ihrer Protagonist*innen literarisch gestalten. Das tun sie umfangreich - das Seminar setzt also ein üppiges Lesepensum voraus.
Primärtexte
Sibylle Berg: Vielen Dank für das Leben. dtv 2014. TB 400 S.
Sasha Marianna Salzmann: Außer sich. Suhrkamp Verlag 2018. Broschur 364 S.
Judith Zander: Johnny Ohneland. DTV 2020. 488 S.
TEILNAHME-BEDINGUNGEN Zu erbringende Studienleistungen bzw. Bedingungen zum Erwerb eines Leistungsnachweises werden in der ersten Sitzung bekannt gegeben. LITERATUR Die Literatur wird in der ersten Sitzung bekanntgegeben.
Gruppe 2: Hermes, PD Dr. Stefan: Verbrechen in der Literatur um 1800
Verbrechen aller Art bilden seit jeher einen zentralen Gegenstand (nicht nur) der deutschsprachigen Literatur. Es überrascht daher nicht, dass auch von der Mitte des 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts zahlreiche einschlägige Werke entstanden sind: Behandeln wollen wir im Seminar sowohl Dramen wie Lessings Die Juden (1749), Wagners Die Kindermörderin (1776), Schillers Die Räuber (1781) und Büchners Woyzeck (1836/37) als auch Erzählungen wie Schillers Der Verbrecher aus verlorener Ehre (1786) und Kleists Die Marquise von O... (1808). Dabei wird nicht zuletzt zu diskutieren sein, auf welche Weise die Texte jene Veränderungen des Kriminalitätsdiskurses reflektieren, zu denen es im Zeitalter der Aufklärung kam. So betrachte man Verbrecher*innen nicht mehr nur als gottlose Sünder*innen, sondern suchte zusehends die sozialen und/oder psychischen Faktoren zu ergründen, die sie zu ihren Taten veranlassten. Überdies fand das Ideal der Gleichheit vor dem Gesetz immer größere Verbreitung, und sowohl das Polizei- und Gerichtswesen als auch gängige Bestrafungspraktiken wurden erheblich reformiert. Wie also hat sich derlei in den genannten Werken niedergeschlagen? Und inwiefern inszenieren diese das Leben von Verbrecher*innen als ein zutiefst erbärmliches – oder aber, ganz im Gegenteil, als durchaus faszinierende Daseinsform? Mit diesen und anderen Fragen wollen wir uns in dem Kurs beschäftigen.
Bitte schaffen Sie alle genannten Texte in der Reclam-Ausgabe an. Sofern eine Reclam-XL-Ausgabe existiert, wählen Sie bitte diese.
Gruppe 3: Eiden-Offe, PD Dr. Patrick: Die Form der Moderne: Goethes Pandora
Goethes „Festspiel“ Pandora wurde lange vernachlässigt. Mittlerweile gilt das Fragment gebliebene Stück von 1808/09 als wenn ein Schlüsselwerk in seinem Schaffen. Nach der Veröffentlichung von Faust I 1808 leitet die Pandora Goethes nach-klassisches Spätwerk ein, und zugleich markiert das Stück Goethes Hinwendung zu sozialen Problemen. In der Pandora finden sich eine oft überraschend genaue Beobachtung der beginnenden industriellen Gesellschaft, und selbst Phänomene wie Klassenbildung und Ausbeutung fasst Goethe scharf ins Auge. Reflektiert wird dies alles bei Goethe aber als ästhetisches Form-Problem: Können Prozesse der sozialen Spaltung und Fragmentierung überhaupt noch in Form ästhetischer Ganzheiten dargestellt werden? Und welche Form-Konzepte sind einer Wirklichkeit adäquat, die sich selbst permanent revolutioniert? Mit diesen Fragen eröffnet Goethes Pandora die ästhetische Moderne. und bringt deren Probleme wie verschiedene mögliche Lösungen schon prägnant auf den Punkt. Im Seminar werden wir das kurze Stück – es nimmt kaum 35 Druckseiten in Anspruch – im Hinblick auf soziale und ästhetische Form-Fragen diskutieren. Auszugsweise herangezogen werden weitere Texte Goethes aus dem Jahrzehnt nach 1809: die Sonette, Schriften zur Morphologie, Kunst- und Literaturkritiken. Schließlich werden wir auch einen Blick in den Roman Die Wahlverwandtschaften werfen. Das Seminar bietet so einen konzentrierten Einstieg in Goethes Werk und zugleich in das problematische Verhältnis von Kunst und Gesellschaft in der Moderne.
Textgrundlage: J.W. von Goethe, Band 9 der Münchner Ausgabe: „Die Epoche der Wahlverwandtschaften“ (München: Hanser 1987). Der Band lohnt sich und kann eine*n durchs Leben begleiten; er kostet aber auch 56 Euro. Alle zu lesenden Texte werden deshalb zu Semesterbeginn auch digital zur Verfügung gestellt. Weitere Literatur: Sabine Schneider/Juliane Vogel (Hg.), Epiphanie der Form. Goethes „Pandora“ im Licht seiner Form- und Kulturkonzepte, Göttingen: Wallstein 2018.
Termine: Das Seminar wird als Blockveranstaltung abhalten. Die Teilnahme an beiden Blöcken und an der Vorbesprechung ist verpflichtend – ohne Vorbesprechung keine Seminarteilnahme! |