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Heideggers umstrittener Brief über den Humanismus (1947) gehört neben Sein und Zeit (1927) vermutlich zu seinen bekanntesten und wirkmächtigsten Texten. Das könnte zum einen mit der Entstehungsgeschichte dieses Textes zusammenhängen, da sich Heidegger hier erstmals nach der humanitären Katastrophe des zweiten Weltkriegs und seinen persönlichen Verstrickungen in den Nationalsozialismus zu grundlegenden Fragen der Menschlichkeit im Kontext seines Seinsdenkens äußert. Zum anderen vollzieht Heidegger hier eine explizite Neuorientierung seines eigenen Denkens, die ebenfalls in diesem Text zum ersten Mal als „Kehre“ zur Sprache kommt und eine Priorisierung des Seinsbegriffs gegenüber der in „Sein und Zeit“ ausgeführten Subjektivitätstheorie des (menschlichen) „Daseins“ andeutet.
Interessant ist in diesem Zusammenhang außerdem, dass Heidegger in seinem Humanismusbrief eine Standortbestimmung seiner eigenen Philosophie vornimmt, die das Verständnis von Sein und Existenz scharf von existenzialistischen Deutungen, die etwa von Jean-Paul Sartre geleistet wurden, abgrenzt. Während Sartre in seinem Essay L'existentialisme est un humanisme (Der Existentialismus ist ein Humanismus) die vorrangige Aufgabe des Menschen in einer humanistischen Auslegung seiner Existenzweise bestimmt, unterzieht Heidegger den Humanismusbegriff einer sowohl philologisch als auch historisch vernichtenden Kritik und sieht die eigentliche „Bestimmung“ des Menschen in einer freien, undogmatischen „Ek-sistenz“ im „Namenlosen“.
Die Bedeutung dieser fragwürdigen Antwort und deren Implikationen für ein menschenwürdiges, gesellschaftliches Zusammenleben soll in diesem Seminar untersucht werden. Die Herausforderung besteht darin, den schwierigen und teils verklausulierten Stil des heideggerschen Denkens durch gründliche Textexegese zu entschlüsseln, ohne dabei den problematischen biographischen Hintergrund Martin Heideggers außer Acht zu lassen. Gleichwohl gilt es die philosophischen Tiefenstrukturen, die Heideggers Denken einen autoritären Anstrich geben könnten, zu erkennen und offenzulegen, wozu kritische und textnahe Rekonstruktionen besser geeignet sind, als ideologische Vorverurteilungen. |