Kommentar: |
Gesellschaftstheorien beanspruchen, die Faktoren zu identifizieren, die für das Bestehen und Funktionieren von (insbesondere modernen) Gesellschaften entscheidend sind. Sie bewegen sich sowohl hinsichtlich ihrer Annahmen als auch mit Blick auf ihre Ziele und Durchführung zwischen Philosophie und Soziologie. In einigen Fällen dient die Gesellschaftstheorie dabei auch dem Zweck, Dysfunktionalitäten oder normative Defizite von Gesellschaften aufzuzeigen und so die Kritik an ihnen anzuleiten. Nach der Hochphase der Gesellschaftstheorie in der Mitte des 20. Jahrhunderts überwiegt heute in Philosophie und Soziologie die Skepsis hinsichtlich der Möglichkeit und des Sinns von Gesellschaftstheorie: Gibt es „die Gesellschaft“ als umfassenden „Container“ der vielen speziellen sozialen Zusammenhänge? Braucht man eine umfassende Gesellschaftstheorie für empirische Forschung oder die Begründung von Gerechtigkeits- oder Legitimitätsprinzipien? Und lässt sich die Gesellschaftstheorie mit ihrem hohen Abstraktions- und Verallgemeinerungsgrad angesichts der Ergebnisse empirischer Forschung überhaupt plausibel verteidigen?
In diesem Seminar wollen wir uns verschiedene Ansätze zu einer Gesellschaftstheorie (u.a. Kritische Theorie, Foucault, Luhmann) anschauen und fragen, welche Bedeutung sie für empirische Forschung in der Soziologie und normative Begründungen in der Philosophie haben. Am Beispiel von Forschungsthemen (u.a. aus der Migrationsforschung) werden wir einerseits betrachten, wie empirische Forschung theoretisch angeleitet ist und selbst zur Validierung oder Weiterentwicklung von Theorien beiträgt. Andererseits werden wir Theorien und Forschungsprogramme, wie etwa die jüngere Debatte über ideale und nicht-ideale Theorie in der Philosophie, diskutieren, die zur Kritik an gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen beitragen wollen und daher der empirischen Forschung sowie der Theoriebildung auch eine praktische, auf Veränderung oder Emanzipation gerichtete Funktion zuschreiben.
Das Seminar wird voraussichtlich in einem 14-tägigen Rhythmus stattfinden und die Sitzungen werden zwischen Duisburg und Essen wechseln. Aktuell sind Sitzungen geplant am: 6.4.2023 in Essen, 20.4.2023, 4.5.2023, 11.5.2023, 25.5.2023, 1.6.2023, 29.6.2023. |
Literatur: |
Zur Vorbereitung eignen sich:
Horkheimer, Max (1988 [1937]). "Traditionelle und kritische Theorie." In: Alfred Schmidt (Hg.). Horkheimer: Gesammelte Schriften. Band 4. Frankfurt am Main: Fischer, S. 162-225.
Merton, Robert K. (1995 [1949]). "Der Einfluß der empirischen Forschung auf die soziologische Theorie." In: Robert K. Merton (Hg.). Soziologische Theorie und soziale Struktur. Berlin u.a.: de Gruyter, S. 99-113.
Merton, Robert K. (1995 [1949]). "Der Einfluß der soziologischen Theorie auf die empirische Forschung." In: Robert K. Merton (Hg.). Soziologische Theorie und soziale Struktur. Berlin u.a. de Gruyter, S. 83-98. |
Bemerkung: |
M.A. Philosophie: Ic, IIc, IIIc: SE Moralphil./Ang. Ethik/Polit. Phil.; Id, IId, IIId: SE Kultur- und Sozialphilosophie
M.Ed. GyGe (ab WS 2014/15): M4; M5;M10;M11
M.Ed. HRSGe (ab WS 2014/15): M4; M5
MA. Theorie des Sozialen: Interdisziplinäres Modul: Interdisziplinäres SE |