Kommentar: |
In den letzten Jahren zeigt sich eine Öffnung von traditionell qualitativen Zugängen - wie z.B. der Konversationsanalyse - hin zu (semi-)experimentellen Methoden, korpuslinguistischen Zugängen und dem Einsatz neuer technologischer Möglichkeiten (z.B. Kendrick 2017, Holler & Levinson 2019). Hierbei hat sich insbesondere 'Blickverhalten' als eine Dimension der multimodalen Verfasstheit von sozialer Interaktion herauskristallisiert, die mittels einer solchen aktualisierten Perspektive und dem Einsatz von mobilen Eye-Tracking-Brillen neue Erkenntnisse ermöglicht (z.B. Auer & Zima 2021). Im Rahmen des Seminars wollen wir uns anhand des Phänomens 'Blick' verbunden mit mobilem Eye-Tracking mit diesen neuen interaktionsanalytischen Zugängen beschäftigen und nach dem Mehrwert ihrer Beschreibungsmöglichkeiten, ihren methodologischen Herausforderungen, konzeptuellen Bedingungen und potentiellen Grenzen fragen. Dabei werden wir uns - ausgehend von einer grundlegenden Konzeption von Multimodalität (Goodwin 2000) - die aktuelle Literatur zum Thema 'Blickverhalten' in kommunikativen und interaktiven Prozessen aufarbeiten, die methodologischen Besonderheiten von mobilem Eye-Tracking herausarbeiten und nach den Bedingungen von semi-experimentellen Lab-Studien im Vergleich zu authentischer Interaktion 'in the wild' fragen. Hierbei wird die Literatur- und konzeptuelle Arbeit an empirische Beobachtungen anhand fokussierter Interaktionssequenzen rückgebunden. Dieses wird komplettiert durch eine kleine semi-experimentelle Studie zum mobilen Eye-Tracking, die wir im Rahmen des Seminars gemeinsam in Auseinandersetzung mit Literatur konzipieren, durchführen und beginnen auszuwerten. Dabei wird auch zu diskutieren sein, inwiefern das 'Kodieren' (im Gegensatz zu 'Transkribieren') von Interaktionsphänomenen vereinbar ist mit sequenzanalytischen Zugängen (Stivers 2015: "a heretical approach"?) und unter welchen Bedingungen es als Schnittstelle zu quantifzierenden Zugängen fungieren kann (Mundwiler et al. 2019). Das Seminar wird im MA im Bereich "Multimodalität & Kommunikationstechnologien" angeboten und eignet sich aufgrund seines projekt- und forschungsorientierten Zuschnitts sowohl für das Aufbau- als auch das Forschungsmodul.
Das Seminar wird zusätzlich im BA Vertiefungsmodul "Kommunikation-Medien-Technologie" angeboten. |
Literatur: |
Auer, Peter, und Elizabeth Zima. „On word searches, gaze, and co-participation“. Gesprächsforschung 22 (2021): 390–425. Goodwin, Charles. „Action and embodiment within situated human interaction“. Journal of Pragmatics 32, Nr. 10 (2000): 1489–1522. Holler, Judith, und Stephen C. Levinson. „Multimodal Language Processing in Human Communication“. Trends in Cognitive Sciences 23, Nr. 8 (2019): 639–52. https://doi.org/10.1016/j.tics.2019.05.006. Kendrick, Kobin H. „Using Conversation Analysis in the Lab“. Research on Language and Social Interaction 50 (2017): 1–11. https://doi.org/10.1080/08351813.2017.1267911. Mundwiler, Vera, Kreuz, Judith, Müller-Feldmeth, Daniel, Luginbühl, Martin, und Hauser, Stefan. „Quantitative und qualitative Zugänge in der Gesprächsforschung. Methodologische Betrachtungen am Beispiel einer Studie zu argumentativen Gruppendiskussionen“. Gesprächsforschung 20 (2019): 323–83. Stivers, Tanya. „Coding Social Interaction: A Heretical Approach in Conversation Analysis?“ Research on Language and Social Interaction 48, Nr. 1 (2015): 1–19. https://doi.org/10.1080/08351813.2015.993837. |