Gruppe 1: Schlicht - Krieg in der Literatur
In diesem Seminar wollen wir uns in historischer Perspektive mit literarischen Texten beschäftigen, die aus ihrer jeweiligen historischen Zeit heraus und mit unterschiedlichen politischen Implikationen darüber nachdenken, was Krieg eigentlich ist, was es in politischer Hinsicht bedeutet Krieg zu führen oder was es für die Zivilbevölkerung bedeutet, in Kriegszeiten zu leben etc. Bitte beschaffen Sie sich folgende Texte, die die Grundlage unserer Seminararbeit darstellen. Die gründliche Lektüre aller Texte wird vorausgesetzt. Forschungsliteratur sowie ausgewählte Gedichte bilden eine weitere Grundlage des Seminargesprächs; Infos dazu gibt es in der ersten Seminarsitzung.
Literatur (kaufen und lesen!):
- Heinrich von Kleist Die Hermannsschlacht (Reclam)
- Clara Viebig Die Wacht am Rhein ( Rhein-Mosel-Verlag)
- Wolfgang Koeppen Tauben im Gras (Suhrkamp)
- Katharina Hacker Die Habenichtse (Reclam)
Gruppe 2: Dr. Philipp Böttcher: Die Klassenfrage in der Gegenwartsliteratur
Über viele Jahrzehnte – und zum Teil bis heute – haben Politik, Sozialwissenschaften sowie auch Literatur und Film das Leitbild einer Gesellschaft überkommener Klassengegensätze propagiert und als soziale Wirklichkeit ausgegeben. Der Klassenbegriff galt als verpönt. In dem Maße, in dem offenkundig wird, dass die Versprechen und vormaligen Selbstverständlichkeiten der ‚sozialen Moderne‘ ihre Gültigkeit verloren haben, ist seit einigen Jahren zunehmend eine ‚Rückkehr der Klassenfrage‘ in der gesellschaftlichen Debatte zu beobachten. Insbesondere im Zuge der hierzulande resonanzträchtigen Rezeption von Didier Eribons „Rückkehr nach Reims“ hat diese inzwischen auch die deutschsprachige Literatur mit hoher Wirksamkeit erfasst. Darstellungsinteressen für soziale Herkunft, Prekarität, Geld und ganz allgemein Formen sozialer Ungleichheit sind in der jüngsten Gegenwartsliteratur ebenso offenkundig wie autofiktionales und autosoziobiografisches Schreiben, quasi-soziologische Wirklichkeitsdeutungen, Narrative der sogenannten ‚Klassenreise‘ oder der sozialarchäologische Blick zurück auf die verdeckte Klassengesellschaft des 20. Jahrhunderts. Diese Phänomene u. a. sollen im Seminar analysiert und diskutiert werden. Die Teilnahme am Kurs setzt ein grundlegendes soziologisches Interesse, interdisziplinäre Neugierde sowie Bereitschaft zur umfangreichen Lektüre und regelmäßigen aktiven Teilnahme voraus. Das genaue Lektüreprogramm wird in Abstimmung mit den Teilnehmer*innen in der ersten Sitzung festgelegt. Anregungen und Vorschläge sind willkommen (bitte möglichst schon im Voraus per Mail einreichen).
Gruppe 3: Dr. Elke Reinhardt-Becker: Gedichte und Lieder im Kontext: Eichendorffs musikalischer Roman „Ahnung und Gegenwart“
„Mein Gott, mein Gott, sagte Friedrich, warum ist alles auf der Welt so anders geworden?“ Der Held aus Eichendorffs Roman „Ahnung und Gegenwart“ (1815) spürt schmerzlich die radikalen Umbrüche seiner Zeit. Die Folgen der französischen Revolution, des Untergangs des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, der Säkularisierung, der beginnenden Auflösung von Ständeschranken, der Verschiebung von Besitzverhältnissen, der Lockerung von Zunftbeschränkungen machen dem romantischen Protagonisten zu schaffen. Graf Friedrich sehnt sich in eine vergangene Zeit zurück, flieht vor den Beschränkungen gesellschaftlicher Konventionen in die Natur, sucht seinen Platz im Leben auf Reisen, im geselligen Freundeskreis, in der Liebe und im Kloster.
Der Roman lässt seine Leser an dieser Suche teilhaben, indem er ihnen einen bunten Reigen von Szenen, Figuren, Episoden, Erzählungen, Gedichten und Liedern präsentiert und dabei die getrennten Gattungen im Sinne einer „progressiven Universalpoesie“ (Friedrich Schlegel) miteinander verbindet. Dieses Grundprinzip romantischer Erzählkunst wird von der Lektüre- und Interpretationspraxis oft ignoriert, wenn die eingestreuten Gedichte und Lieder „lediglich als Verzierung des Prosatextes behandelt werden“ (Natalie Binczek). Dies wollen wir ändern. Dabei werden wir – geradezu nebenbei – einige der bekanntesten Gedichte Eichendorffs und der Romantik sowie einzelne Vertonungen kennenlernen.
Gleichzeitig ist es aber auch ein Roman über widerständige Frauen, die sich nicht den neuen bürgerlichen Vorstellungen von der engelsgleichen Geliebten, die sich zum tugendsamen Hausmütterchen eignet, beugen. Sie begehren auf, tragen Männerkleidung, haben ihren eigenen Kopf, sind Dichterinnen und Jägerinnen. Aus der Logik des Romans heraus führt dies dazu, dass sie als „Zauberinnen“ und „Hexen“ dämonisiert werden. Vor ihnen muss sich Mann in Acht nehmen. Ihr Schicksal? Tragisch.
Zu erbringende Studienleistungen bzw. Bedingungen zum Erwerb eines Leistungsnachweises werden in der ersten Sitzung bekannt gegeben. LITERATUR: Wir lesen den Roman in der von Wolfgang Frühwald und Brigitte Schillbach kommentierten Ausgabe des Deutschen Klassiker Verlages. Die Erstlektüre bietet sich in den Semesterferien an. Sekundärliteratur steht in einem Semesterapparat zur Verfügung.
Gruppe 4: Dr. Liane Schüller: Zeitdiagnostik in Texten der 1920er und 1930er Jahre
Zahlreiche Texte der 1920er und 1930er Jahre dokumentieren den schleichenden Verfall der Demokratie und die soziale Realität einer durch immense technologische Entwicklungsschübe und die Präsenz populärer massenkultureller Phänomene geprägten Zeit sowie die Herausforderung, den immer komplexer werdenden politischen und ökonomischen Zusammenhängen begegnen zu müssen. Viele Autorinnen und Autoren dieser Zeit kommentierten das Zeitgeschehen und die Krisenhaftigkeit der Zwischenkriegsjahre sowohl in Romanen, Erzählungen und lyrischen Texten, als auch in Reportagen und Feuilletons, etwa Erich Kästner, Vicki Baum, Joseph Roth, Egon Erwin Kisch und Gabriele Tergit. Ihre Arbeiten sind als Spiegel einer fragilen Umbruchzeit und ihrer gesellschaftlichen Prozesse rezipierbar, sie ästhetisieren die (Lebens-)Bedingungen einer sich im radikalen Wandel befindenden Welt, in der alles unsicher und neu (verhandelbar) zu sein scheint. Dazu gehören sich ändernde Geschlechterrollen, aber auch Generationenkonflikte sowie Konsequenzen des rasant wachsenden gesellschaftlichen Gefälles. Insofern sind die Autorinnen und Autoren dieser Jahre gleichermaßen Zeugen wie Chronisten einer Zeitenwende, die alte Gewissheiten, Überzeugungen und Orientierungen pulverisiert und in der kein stabiles Erfahrungswissen mehr existiert, auf das zurückgegriffen werden könnte. Im Seminar erarbeiten wir, auf welche Weise in ausgewählten Texten zentrale Diskurse der Zeit motivisch und auf narrative Weise aufgegriffen und traditionelle Erzählmuster variiert werden.
Folgende Texte werden im Seminar besprochen und sollten zu Beginn gelesen sein:
- Erich Kästner: Fabian – Geschichte eines Moralisten (1931)
- Siegfried Kracauer: Die Angestellten (1929/30)
- Gabriele Tergit: Käsebier erobert den Kurfürstendamm (1931)
- Gabriele Tergit: Vom Frühling und von der Einsamkeit. Reportagen aus den Gerichten. Hg. von N. Henneberg. Frankfurt a. Main, 2020
Hinweise zu weiteren für das Seminar relevanten Texten erhalten Sie in der 1. Sitzung (Vorbesprechung).
Gruppe 5: Markus Steinmayr: Neapel, Rom, Berlin - Städte der Literatur
Städte, städtisches Leben, der Gegensatz zum Land oder zum Ländlichen sind nicht nur literarische Motive. Die Verhandlung der Stadt, des städtischen Leben, die Beobachtung von Stadtbewohnern in der Literatur ist von Beginn an „eine Auseinandersetzung mit der kulturellen und zivilisatorischen Leistung des Menschen“ (Elisabeth Frenzel). Das Auftreten von italienischen Städten in der deutschen Literatur wie zum BEispiel Rom und Neapel, aber der Versuch der Literatur, sich als Großstadtliteratur zu reflektieren, sind gewichtige Sujets der deutschen Literatur. Die Städte der Literatur sind aber immer auch „Chronotopoi“ (Michael Bachtin), also Orte, an denen sich Geschichte lesen lässt, an denen auf eine eigentümliche Art und Weise, Ort, Zeit und Handlung zusammenfallen. In der literarischen Beschreibung städtischen Lebens lassen sich die „Tektonik sozialer Verwerfungen“ und die „Schubkraft sozialer Mobilisation“ (Karl Schlögel) beobachten.
Das Seminar will auf seiner literarischen Städtereise folgende Stationen und Texte folgender Autoren besprechen:
- Neapel (Walter Benjamin: Städtebilder, Johann Wolfgang von Goethe: Italienische Reise)
- Berlin (Walter Benjamin; Berliner Kindheit um 1900, Einbahnstraße eventuell auch Bertolt Brecht: Lesebuch für Städtebewohner)
- Rom (Johann Wolfgang von Goethe: Italienische Reise, Walter Benjamin: Städtebilder)
Beginnen werden wir mit der Lektüre von Goethes „Italienischer Reise“. Bitte besorgen Sie sich eine zitierfähige Ausgabe (Reclam, DTV). Ein digitaler Semesterapparat wird erstellt. Die Zugangsdaten erhalten Sie in der ersten Sitzung.
Gruppe 6: PD Dr. Lily Tonger-Erk: Revolutionsdramen
Das Seminar geht der Inszenierung politischer Revolutionen auf der deutschsprachigen Bühne nach: von der Französischen Revolution über die Haitianische Revolution bis zur deutschen Novemberrevolution. In der Literatur ist der revolutionäre Kampf von einer ambivalenten Faszination zwischen befreiendem Versprechen und blutigem Schrecken geprägt. Auf der einen Seite begeistern hehre Ziele wie Unabhängigkeit, Menschenrechte oder Befreiung aus der Sklaverei, auf der anderen Seite drohen gewalttätige, chaotische Verhältnisse. Im Seminar erarbeiten wir zunächst grundlegende Techniken der Dramenanalyse, um zu untersuchen, mit welchen dramaturgischen Mitteln die Revolutionen und ihre Helden inszeniert werden. Dabei stellen wir uns nicht zuletzt die Frage, wie sich die Dramen zum Revolutionsgeschehen positionieren: als agitatorischer Eingriff in ihre Gegenwart oder Deutung aus der historischen Distanz.
Friedrich Schiller: Die Verschwörung des Fiesko zu Genua, 1782
Carl Philipp von Reitzenstein: Die Negersclaven, 1793 (lieferbar beim Wehrhahn Verlag)
Georg Büchner: Dantons Tod, 1835
Bertolt Brecht: Trommeln in der Nacht, 1919
Peter Weiss: Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats, 1964
Heiner Müller: Der Auftrag, 1979
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