Gruppe 1: PD Dr. Stefan Hermes: Reiseliteratur der Gegenwart
Es sind nicht allein kanonische Werke wie Georg Forsters Reise um die Welt (1778/80), Goethes Italienische Reise (1817) oder Heines Reisebilder (1826-32), die den bedeutenden Beitrag der Reiseliteratur zur Gesamtgeschichte der deutschsprachigen Literatur dokumentieren. Vielmehr besitzt die zwischen Faktualität und Fiktionalität, Authentifizierung und Ästhetisierung oszillierende Gattung noch in unserer Gegenwart ein hohes Maß an Attraktivität – ungeachtet des globalen 'Massentourismus' und der endlosen Bilderwelten des Internet.
Von dieser Attraktivität kündet nicht zuletzt das umfangreiche Œuvre des Schriftstellers Michael Roes, mit dessen Band Melancholie des Reisens (2020) wir uns im Seminar vor dem Hintergrund einschlägiger theoretischer Reflexionen in erster Linie befassen wollen. Geschildert werden darin Reisen, die Roes zwischen 2009 und 2018 in den Jemen, nach Afghanistan, Marokko, Israel, Jordanien und Tunesien geführt haben; darüber hinaus ist von einem Mali-Aufenthalt die Rede, der bereits im Jahr 1999 stattgefunden hat. Diese Schilderungen wollen wir speziell mit Blick auf die narrative Inszenierung interkultureller Begegnungssituationen analysieren und diskutieren, wobei Aspekten wie (Nicht-)Verstehen, Begehren oder Krankheit besondere Aufmerksamkeit zukommen wird.
Weitere reiseliterarische Werke, denen wir uns im Kurs zuwenden, sollen zu Beginn des Semesters gemeinsam ausgewählt werden: Zu denken wäre etwa an einschlägige Texte von Wolfgang Büscher, Felicitas Hoppe oder Ilija Trojanow. Bitte entwickeln Sie im Vorfeld auch eigene Vorschläge!
Anzuschaffen ist zunächst lediglich der erwähnte Band von Roes, ggf. antiquarisch.
Gruppe 2: PD Dr. Charlotte Kurbjuhn: Um 1800: Klassik und Frühromantik
Gruppe 3: PD Dr. Lily Tonger-Erk: Rassismus(-kritik) in der Literatur- und Kulturgeschichte
Von Natur aus gibt es keine menschlichen ‚Rassen‘. Dass das Konzept der ‚Rasse‘ das Ergebnis von Rassismus und nicht dessen Voraussetzung darstellt, ist heute wissenschaftlicher Konsens („Jenaer Erklärung“). Im Seminar verfolgen wir die historische Konstruktion von ‚Rassen‘ in literarischen und anthropologischen Texten: Wie die Menschheit in verschiedenfarbige ‚Rassen‘ eingeteilt wird, wie diese ‚Rassen‘ mit vermeintlich natürlichen Eigenschaften und Verhaltensweisen verknüpft und daraus angeblich ‚höher‘ und ‚tiefer‘ stehende, ‚schönere‘ und ‚hässlichere‘ Menschengruppen abgeleitet werden. Diese Konstruktion von ‚Rassen‘ dient nicht zuletzt der Legitimation von Kolonialisierung und Sklaverei. Zum anderen analysieren wir die zeitgenössische Kritik, die sich an solchen als rassistisch zu bezeichnenden Verfahren immer schon entzündet. Historisch schlagen wir dabei einen weiten Bogen vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart.
Daniel Defoe: Robinson Crusoe, 1719
Friedrich Schiller: Die Verschwörung des Fiesko zu Genua, 1783
August von Kotzebue: Die Negersklaven, 1796
Heinrich von Kleist: Das Erdbeben in Chili, 1807
Wolfgang Koeppen: Tauben im Gras, 1974 (im Workshop)
Olivia Wenzel: 1000 Serpentinen Angst, 2020 (im Workshop)
Bitte beachten Sie: An drei Seminarterminen findet das Institutskolloquium statt und das Seminar entfällt. Diese Sitzungen holen wir in einem Online-Workshop nach:
Workshop „Rassismus(-kritik) und Literatur in der Gegenwart“ (in Kooperation mit Prof. Dr. Franziska Bergmann, FAU Erlangen-Nürnberg), Zoom, Montag, 24.6.2024, 10-17 Uhr
Vorbereitende Lektüre
Bitte lesen Sie vor Seminarbeginn den ersten Band von Robinson Crusoe in der folgenden Ausgabe:
Daniel Defoe: Robinson Crusoe. Erster und zweiter Band. Aus dem Englischen von Franz Riederer. München: dtv 2010. ISBN-13: 978-3423138819. |