Kommentar: |
Während die öffentliche Verwaltung sowohl für das Design als auch die Umsetzung von Politik verantwortlich ist, ist sie ein Kernbestandteil moderner demokratischer Herrschaft. Verwaltungsmitarbeiter in Ministerien schreiben Gesetze und koordinieren politische Programme mit anderen Ressorts, politischen Akteuren und Interessensgruppen, während nachgeordnete Behörden und Kommunalverwaltungen Politik im ganzen Land umsetzen. Währenddessen bestimmen sogenannte street-level bureaucrats an der Schnittstelle von Regierung und Gesellschaft die Gewährung öffentlicher Leistungen im Fall eines jeden einzelnen Bürgers und prägen dabei die Art und Weise, in der die Öffentlichkeit die Ausübung staatlicher Gewalt erlebt und von dieser betroffen ist.
Diese hervorgehobene Position der öffentlichen Verwaltung innerhalb demokratischer Regierungssysteme wirft die Frage auf, wie sich das Verwaltungshandeln an die Interessen und Präferenzen der Bürger binden lässt, denn anders als Politiker sind Verwaltungsmitarbeiter beim Zugang zu und Verbleib in ihrem Amt nicht von der Zustimmung der Bürger abhängig. Eine traditionelle demokratietheoretische Perspektive geht davon aus, dass die öffentliche Verwaltung durch eine dyadische Verantwortlichkeitskette mit dem Willen der Bürger verbunden ist, wobei letztere das Verhalten von politischen Akteuren durch Wahlen kontrollieren, während Politiker das Verwaltungshandeln durch formalisierte Hierarchien steuern, inerhalb derer Verwaltungsmitarbeter ihre Aufgaben wahrnehmen. Wenn die öffentliche Verwaltung aber ihre spezifische praktische und fachliche Expertise aktiv einsetzen und dabei unabhängig von den Höhen und Tiefen politischer Mehrheiten und den kurzsichtigen Wiederwahlinteressen von Parteipolitik agieren soll, muss sie sich ein bestimmtes Maß an Autonomie von politischen und öffentlichen Akteuren bewahren. Oftmals ist eine formalisierte Verantwortlichkeitskette entsprechend nicht ausreichend, um sicherzustellen, dass sich das Verwaltungshandeln an den Einstellungen und Interessen der Bürger ausrichtet.
Aus demokratietheoretischer Perspektive gibt es demzufolge ein latentes Spannungsverhältnis zwischen der öffentlichen Verwaltung als autonome, professionelle und beständige Institution und der Idee, dass alle Macht vom Volk ausgehen soll. Im Zentrum des Seminars steht die Frage, wie dieses Dilemma in der gegenwärtigen Praxis demokratischer Herrschaft gelöst wird und werden kann. Dabei sollen verschiedenste Aspekte adressiert werden, welche der Beantwortung dieser Frage zugrunde liegen und eine weite Bandbreite der komplexen Aufgaben, Ebenen, Positionen und normativen Standards betreffen, innerhalb derer Verwaltungsmitarbeiter heutzutage ihre Aufgaben wahrnehmen. Diese Aspekte umfassen das Verhältnis von Bürokratie und Demokratie und seine Entwicklung, die politische Steuerung der Verwaltung, Verantwortlichkeitsmechanismen über formale Hierarchie hinaus, Institutionenvertrauen und Legitimität, die spezifischen Wertvorstellungen, welche Verwaltungsmitarbeiter prägen, Diskriminierung durch Behörden sowie die Rolle der öffentlichen Verwaltung als Hüter demokratischer Prinzipien in Zeiten politischer Polarisierung, Extremismus und des Verfalls demokratischer Institutionen. |