Gruppe 1: 1800/1900: Romantik und Neoromantik - Prof. Dr. Corinna Schlicht
In diesem Seminar wollen wir Ihr literarhistorisches Wissen vertiefen. Dabei werden vor allem die Literaturen um 1800 und die Literaturen der Literarischen Moderne um 1900 unter dem Fokus romantischer und neoromantischer Programmatiken betrachtet werden. Wir lesen und diskutieren verschiedenen Romane, Gedichte und Essays. Teilnahmebedingung ist die Bereitschaft zur intensiven Textlektüre sowie zur aktiven und kontinuierlichen Mitarbeit an den wöchentlichen Präsenzsitzungen. Im Selbststudium können weder die Diskursfähigkeit über literaturgeschichtliche Fragen erarbeitet noch die notwendige Übung für die mündliche Prüfung (Lehramt), die dieses Modul abprüft, erworben werden.
Folgende Literatur, die gründlich durchzuarbeiten ist, bildet die Basis unserer Seminararbeit (*bitte kaufen):
- Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Reclam.*
- Sophie Mereau: Amanda und Eduard. Der Roman ist leider vergriffen; die PDF wird zu Semesterbeginn via Moodle zur Verfügung gestellt.
- Alfred Kubin: Die andere Seite. rororo Taschenbuch.*
- Essays und Gedichte u.a. von Ricarda Huch, Else Lasker-Schüler, Hermann Hesse und Heinrich Mann werden zu Semesterbeginn als PDF via Moodle zur Verfügung gestellt.
- Sämtliche Forschungsbeiträge, die in Moodle bereitgestellt werden, sind ebenfalls vorzubereiten.
Gruppe 2: Frauen bereisen die Welt: Reiseberichte und -erzählungen deutschsprachiger Frauen um die Jahrhundertwende (S.H.)
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war Reisen kein ausschließlich männliches Phänomen mehr: Ida Pfeiffer gilt als eine der Pionierinnen der reisenden Frauen. Sie brach mit 44 Jahren zu ihrer ersten Reise nach Jerusalem und Palästina über Konstantinopel, den Libanon, Damaskus bis nach Ägypten auf. Es folgten zwei Weltreisen, die die Österreicherin, die von Alexander von Humboldt geschätzt wurde, in teils gefährliche Situationen brachten. Pfeiffer war die bekannteste und meist gelesene Reiseschriftstellerin ihrer Zeit; ihre Schriften ließen auch männliche Kollegen im Schatten stehen. Immer mehr Frauen begannen die Welt zu bereisen und darüber zu schreiben: Alma M. Karlin, Ida Gräfin Hahn-Hahn, Therese von Bayern, Cäcilie von Rodt, Anna von Werner, Catharina von Pommer-Esche und viele weitere.
In unserem Seminar wollen wir dem weiblichen Reisen in dieser Zeit nachspüren und ihre Bewegungen in die Fremde verfolgen: Wir lesen ausgewählte autobiografische Reiseberichte und -erzählungen und fokussieren nach einer Einführung in das Genre und das Forschungsfeld der Reiseliteratur in den Lektüren auf drei Aspekte: auf die Perspektive auf das Fremde (mithilfe der Kulturwissenschaften), auf das Erzählen als
Beschreibungs- und Vermittlungsmodus von Topografien und Kulturen (mithilfe der Narratologie) und auf die (spezifisch weibliche) Mobilitätserfahrung der Frauen (mithilfe der mobility studies). Einen Schwerpunkt werden wir in diesem Semester auf Reisen nach Spanien und Lateinamerika legen.
Entstehen soll dabei auch eine Karte der Mobilität, der Bewegungen und Kreuzungspunkte dieser Reiseschriftstellerinnen.
Gruppe 3: Geschichte und Theorie der Kriminalerzählung (1786-1925) (PD Dr. Susanne Düwell)
Das Proseminar interessiert sich für literarische Darstellungen von Verbrechen und Wahrheitsfindung. Einsatzpunkt sind Pitavalerzählungen des ausgehenden 18. Jahrhunderts und Friedrich Schillers prominente und genrebildende Erzählung „Verbrecher aus Infamie“. Analysiert werden ferner Erzählungen von Heinrich v. Kleist, E.T. A. Hoffmann, Annette v. Droste-Hülshoff sowie Prosatexte der 1920er Jahre von Alfred Döblin, Joesph Roth und Ernst Weiß. Im Fokus stehen dabei Konstruktionen des Verbrechens, literarischer Bilder der Täter:innen, aber auch Formen und Reflexionen der Wahrheitsfindung. Als ein wichtiger Bezugspunkt der kriminalliterarischen Forschung hat sich dabei das von Carlo Ginzburg entworfene ‚Indizienparadigma‘ herauskristallisiert, das ein Modell des Erzählens anhand von Spuren entwickelt. Neben den literarischen Texten und Ginzburgs „Spurensicherung“ sollen auch literaturwissenschaftliche Forschungsansätze in die Seminararbeit einbezogen werden.
Gruppe 4 : Bildungsaufstieg und soziale Mobilität in der postmigrantischen Gegenwartsliteratur (Dr. Philipp Böttcher)
‚Autosoziobiografien‘ gelten als das „Genre der Stunde“ (Cramer/Schmidt/Thiemann 2023, S. 29). Sie erzählen zum einen den Bildungsaufstieg einer Figur und das damit verbundene Problem der erworbenen Distanz zur eigenen sozialen Herkunft. Zum anderen verbinden sie die Erzählung des eigenen Werdegangs mit überindividuellen Gesellschaftsperspektiven, mit einer geradezu soziologischen Analyse und Reflexion sozialer Verhältnisse. Der Erfolg der Autosoziobiografie als literarisches Phänomen und Beschreibungsbegriff begründet sich wohl nicht zuletzt darin, dass die Form trotz ihrer Eigenschaft, gesellschaftlich Verdrängtes zu thematisieren, eine dominanzgesellschaftliche und nationalstaatliche Prägung aufweist. Den (mindestens impliziten) Bezugspunkt bildet die westeuropäische Phase der sozialen Moderne – ein historischer Abschnitt, der mit sozialer Sicherheit, verlässlichen Aufstiegsversprechen, breiter Bildungsexpansion und einer ungebrochenen Bildungsemphase assoziiert wird. Weitgehend unberücksichtigt bleiben die Geschichte und soziale Tatsache der Migrations- und Postmigrationsgesellschaft, bzw. werden Texte mit einem solchen Fokus erkennbar zurückhaltender unter den Vorzeichen des Modegenres diskutiert.
Dabei ist in den vergangenen Jahren eine Fülle gegenwartsliterarischer Erzähltexte entstanden, die aus postmigrantischer Perspektive die Schreibformen und kulturellen Narrative des Genres erweitern bzw. grundlegend hinterfragen. Ergänzt werden von diesen Texten, mit denen wir uns im Seminar befassen wollen, auch die kollektiven Erinnerungsbilder und gesellschaftlichen Selbsterzählungen, indem etwa dem Bild einer bildungsexpansiven Aufstiegsgesellschaft die soziale Immobilität der (Gast-)Arbeiterklasse entgegengestellt werden, der die kollektiven Versprechen – und mithin auch ihre Erzählformen – nicht zu gelten schienen.
Die Teilnahme am Kurs setzt ausdrücklich die Bereitschaft zur umfangreichen Lektüre und regelmäßigen aktiven Teilnahme voraus. Das genaue Lektüreprogramm wird in Abstimmung mit den Teilnehmer*innen in der ersten Sitzung festgelegt. Anregungen und Vorschläge sind willkommen (bitte möglichst schon im Voraus per Mail einreichen).
Gruppe 5: Soziale Mobilität - Prof. Dr. Alexandra Pontzen
Soziale Mobilität meint die Möglichkeit (und Fähigkeit) innerhalb einer sozialen Ordnung (in Klassen, Schichten, Milieus…) seinen Platz, d.h. den Platz, an dem man biographisch startet, zu verlassen und auf-, ab- oder auszusteigen. Im Seminar beschäftigen wir uns beispielhaft mit Texten, die solche Veränderungen darstellen, thematisieren oder reflektieren.
Gelesen werden:
Goethe: "Clavigo" (1774) Ditzingen: Reclam Verlag 2024. (4,00 Euro)
Keller: "Kleider machen Leute" (1874) Ditzingen: Reclam Verlag 2000. (3,00 Euro)
Fontane: "Mathilde Möhring" (postum 1906) Ditzingen: Reclam Verlag 2019. (4,80 Euro)
Birnbacher: "Der Schrank" (2019) (pdf des online Textes)
(online verfügbar unter: https://www.google.com/url?sa=t&source=web&rct=j&opi=89978449&url=https://files.orf.at/vietnam2/files/bachmannpreis/201918/der_schrank_birnbacher_671073.pdf&ved=2ahUKEwjoz_Xat8KHAxWXQvEDHYagBTgQFnoECBcQAQ&usg=AOvVaw1FhrVVNJyd8F3Ixo0Sweey)
Gruppe 6: Japanimages in der Literatur (Dr. Elke Reinhardt-Becker)
Seit einigen Jahren sind Romane von japanischen Autor*innen wie Haruki Murakami, Banana Yoshimoto oder Yoko Ogawa nicht von den Bestsellerlisten wegzudenken. Japan hypt - zumindest auf dem Literaturmarkt. Aber die Exotik des fernen Ostens begeistert deutsche Leser*innen nicht erst in jüngster Zeit. Nachdem Japan über Jahrhunderte für die übrige Welt nicht erreichbar war, konzentrierte sich nach der Öffnung des Landes 1854 das Interesse vieler Autoren, Wissenschaftler und Reisenden auf das ‚unbekannte‘ Land. Dies hat sich vielfältig in der deutschsprachigen Literatur niedergeschlagen: Es entstanden Reiseberichte, Romane, Gedichte und sogar Dramen, in denen die Figuren und die Leser dem kulturell Fremden begegnen. Das Andere wird zum Vorbild oder Schreckbild, die eigene Kultur wird - im positiven oder negativen Sinne - japanisiert, die japanische Kultur 'verwestlicht'. Wichtige Verschiebungen im Japanbild bringen die politischen Wechsel vom Kaiserreich über die Weimarer Demokratie zum NS-Staat bis zur Bundesrepublik mit sich. Im Seminar wird es im Schwerpunkt um Texte des frühen 20. Jahunderts und der unmittelbaren Gegenwartsliteratur gehen. Neben theoretischen Aufsätzen zum Exotismus, zur Fremdheit und Interkulturalität werden vornehmlich Romane und Reiseberichte gelesen.
Teil des Seminars ist der Poet in Residence: In diesem Semester besucht uns Christoph Peters, gebürtig vom Niederrhein, der sich seit fast 40 Jahren mit Japan beschäftigt und immer wieder japanische Motive, Handlungsorte und Figuren in seinen Romanen aufgreift. Zudem hat er 2021 den Reiseessay Tage in Tokio veröffentlicht. Peters ist vom 9. bis 12. Dezember an der UDE, Sie besuchen mindestens zwei seiner Poetik-Vorlesungen bzw. seiner Lesungen (Mo-Do 16-18 Uhr). Ggf. besteht für einzelne Teilnehmer*innen nach Rücksprache die Möglichkeit, an seiner Schreibwerkstatt teilzunehmen.
Folgende Primärliteratur ist die Grundlage des Seminars und muss intensiv durchgearbeitet werden:
- Lafcadio Hearn: Mein erster Tag in Japan (gegen 1890)
- Kathrin Röggla, Oliver Grajewski: tokio, rückwärtstagebuch (2009)
- Christoph Peters: Tage in Tokio (2021)
- Max Dauthendey: Den Abendschnee am Hirayama sehen (1911)
- Andreas Séché: Namiko und das Flüstern (2011)
- Christoph Peters: Mitsukos Restaurant (2009)
- Lucy Fricke: Takeshis Haut (2014)
Der Buchauszug von Hearn und die Novelle von Dauthendey sowie die verbindliche Forschungs- und Sekundärliteratur werden Ihnen in Form von PDFs zur Verfügung gestellt.
Die Teilnahme am Kurs setzt ausdrücklich die Bereitschaft zur umfangreichen Lektüre und regelmäßigen aktiven Teilnahme voraus. |