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Mit den Liaisons dangereuses von Choderlos de Laclos (1741-1803) erreicht die im Frankreich des 18. Jahrhunderts sehr beliebte Gattung des Briefromans ihre Vollendung und zugleich auch ihren Abschluss. Bei seinem Erscheinen im 1782 löst das Werk einen großen Skandal aus, zeichnet es doch wenige Jahre vor Ausbruch der Revolution ein überaus kritisches Sittenbild der französischen Gesellschaft, insbesondere des Adels. Seinem großen Erfolg bei der zeitgenössischen Leserschaft hat dies aber keinen Abbruch getan. Werden die Liaisons dangereuses im 19. Jahrhundert noch wiederholt auf den Index gesetzt, gelten sie spätestens seit dem 20. Jahrhundert als ein Klassiker der französischen Literatur und werden 1999 von der Académie Goncourt sogar zu ihrem wichtigsten Werk gekürt.
Auf der Grundlage der Kenntnis des gesamten Textes, die bereits zu Beginn dieses Master-Hauptseminars bei allen Teilnehmerinnen vorausgesetzt wird (!!), werden ausgewählte Briefe der insgesamt 175 Briefe einer gemeinsamen Lektüre und Analyse unterzogen. Die besondere Aufmerksamkeit soll dabei der viel diskutierten Frage gelten, ob und inwiefern die Liaisons dangereuses als ein feministischer Text avant la lettre gelesen werden können. In diesem Zusammenhang werden die Figur der Marquise de Merteuil und ihre berühmte „Autobiographie“ (Brief LXXXI) ebenso behandelt wie weitere Texte Laclos‘, so der Essay De l´éducation des femmes (1784/85) und sein Briefwechsel mit Mme Riccoboni. Gegen Ende des Seminars sollen auch zwei oder drei der zahlreichen Verfilmungen des Romans (mit entsprechenden Vorführungen innerhalb bzw. außerhalb des Seminars) unter diesem Aspekt thematisiert werden.
Angeschafft werden sollte die von René Pomeau herausgegebene Ausgabe der Liaisons dangereuses bei Garnier Flammarion (Paris 2023, ca. € 5,40). Als erste einführende Lektüre sei neben dem Originaltext empfohlen: Anke Wortmann: «Choderlos de Laclos, Les Liaisons dangereuses 1782», in: Dietmar Rieger (Hrsg.): 18. Jahrhundert. Französische Literatur, Tübingen: Stauffenberg 2000, S. 253-303. |