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Eine sozialwissenschaftliche Analyse des Essens verortet sich zwischen drei Polen. Der erste Pol ist der Geschmack. Essen muss schmecken. Essen wird danach bewertet, inwiefern es den (eigenen) Geschmack trifft. Gutes Essen ist schmackhaftes Essen, schlechtes Essen schmeckt nicht. Auch wenn die Redewendung „Über Geschmack lässt sich nicht streiten“ anderes suggeriert, was schmeckt und was nicht ist immer wieder Gegenstand von Konflikten, die auch kommunikativ ausgehandelt werden. Geschmack ist aber nicht objektiv und eindeutig und für alle gleich. Geschmack erwächst und wird beeinflusst von der sozialen Herkunft. Zugleich wird Geschmack des Essens beständig bewertet – von Google-Rezensionen bis hin zum Guide Michelin. Der zweite Pol ist die Gesundheit. Was gegessen wird, steht in der Beziehung zum Körper, auf den man entweder Rücksicht nehmen muss oder den man mit dem Essen gezielt verändern will: „Du bist, was du isst.“ Man isst nicht nur, was einem schmeckt, sondern es auch, was einem gut tut. Und man orientiert sich dabei oftmals an Kommunikationen aus Ernährungsratgebern, lässt sich von Food-Influencern leiten oder ahmt von Vorbildern im nahen Umfeld nach. Der dritte Pol ist die Ethik. Gegessen wird nicht nur, was schmeckt und einen gesund macht, Essen und Nahrung werden auch nach ethischen Qualitäten bewertet: Woher kommt die Nahrung? Erdbeeren im Winter? Hinzukommen kommen religiöse Nahrungsverbote sowie eine oftmals selbst auferlegte Askese des Essens. Essen ist damit ein moralisch-reguliertes Phänomen, das zugleich eine Gegen-Ethik entstehen lässt, sodass gerade der Konsum verfemter Speisen ostentativ zur Schau gestellt wird. Im ethischen Pol wird somit noch einmal der polemogene Charakter des Essens herausgestellt. Das Seminar oszilliert – in unterschiedlicher Intensität – zwischen den drei Polen. Sichtbar wird, dass die Soziologie des Essens und deren Kommunikation zwar alltäglich sind, zugleich aber ein Spiegel der Gesellschaft, sodass sich die Beschäftigung mit dem Essen lohnt! Grundlage des Seminars sind kommunikationswissenschaftliche wie soziologische Fachtexte, die nicht leicht oder nebenbei zu lesen sind. Wer sich – aus welchen Gründen auch immer – nicht imstande sieht, sich intensiv mit der Seminarlektüre auseinanderzusetzen und regelmäßig am Seminar teilzunehmen, sollte sich lieber nach einem anderen Seminar umschauen. Planen Sie mindestens drei Zeitstunden für die Vor- und Nachbereitung ein. |