Kommentar |
Seit den 1990er Jahren lässt sich im Bereich des deutschsprachigen Unterhaltungsromans ein auffälliges Phänomen beobachten: Er widmet sich zunehmend jungen, zumeist männlichen Erwachsenen, deren vorwiegende Tätigkeiten darin zu bestehen scheinen, in Kneipen zu sitzen (manchmal auch dort zu arbeiten), gnomische Weisheiten zu verlautbaren wie diejenige, dass das Leben doch kein Gefäß sei, und historischen Ereignissen, mögen sie auch selbst davon betroffen sein, mit einer gewissen Gleichgültigkeit gegenüberzustehen; bisweilen schließen sie sich Schlager-Kapellen an, mit denen sie durch dörfliche Ländereien fahren, oder mischen sich in Winzer-Milieus der rheinland-pfälzischen Provinz. Werden diese Texte auch häufig dem Korpus der sogenannten Popliteratur subsumiert, so lassen sich durchaus Bezüge zum Entwicklungs-, Etappen- oder auch Bildungsroman erkennen – dies nicht nur im Sinne einer motivischen Anschlussfähigkeit, sondern in Form einer Kontrafaktur, Parodie oder Persiflage. Das Seminar zielt darauf ab, die gattungstheoretischen, motivgeschichtlichen und poetologischen Dimensionen dieser Romane zu problematisieren – nicht zuletzt in kritischer Reflexion des Begriffs 'postmoderner Realismus', wie er in jüngerer Zeit von Stefan Born vorgeschlagen wurde. Die Primärliteratur umfasst Sven Regeners Herr Lehmann, Heinz Strunks Fleisch ist mein Gemüse, Rocko Schamonis Dorfpunks sowie Thorsten Nagelschmidts Was kostet die Welt? Die genaue Kenntnis dieser Texte wird für die Teilnahme vorausgesetzt. |