Kommentar |
Der Kultursektor erweist sich als bedeutsam für gesellschaftliche Prozesse der Identitätsbildung, der sozialen Integration und Ungleichheit, aber auch für Arbeit und Beschäftigung. Historisch haben Staaten und Gesellschaften jeweils unterschiedliche Wege zur Förderung des Kultursektors gewählt, welche auf die Schaffung kultureller Artefakte sowie den Erhalt von Bräuchen und Traditionen zielten. Häufig standen hier nationale Identitätsbildung, gesellschaftliche Integration und Teilhabe im Vordergrund. In den letzten Jahren wurden jedoch unter dem Motto „Förderung der Kreativwirtschaft” in vielen Ländern und Regionen, darunter auch im Ruhrgebiet, neue Politiken für den Kulturbereich formuliert, welche den Kulturbereich zunehmend auch als wirtschaftliche Ressource im globalen Wettbewerb begreifen. Zugleich verstärken wachsende globale Mobilität, Migrationsströme, vernetzende Kommunikationstechnologien und z.B. die europäische Integrationspolitik transnationale und globale Bezüge.
Damit stellen sich neue Herausforderungen: Wie wertet man lokale Ausdrucksformen auf, ohne sich gegenüber äußeren Einflüssen zu verschließen? Wie können Produktion und Konsum kultureller Güter gesetzlich so geregelt werden, dass sie einerseits geschützt und zugleich in die globale Welt integriert werden können? Welche Konsequenzen haben daraus folgende Gesetze für das künstlerische Schaffen? Wie wird die künstlerische Arbeit in diesem neuen Zusammenhang bewertet und unterstützt? Welche Herausforderungen müssen die Künstler annehmen, um weiter als Künstler tätig zu sein? Unter welchen Bedingungen arbeiten die Künstler?
Diesen Fragen werden wir im Seminar anhand von empirischen soziologischen Analysen der Kulturpolitik und Kreativwirtschaft nachgehen. Dabei werden verschiedene Vergleichsperspektiven eingenommen: Neben dem klassischen Gesellschaftsvergleich werden wir uns mit der Frage beschäftigen, wie der soziologische Vergleich bei der Analyse von historischen und gegenwärtigen, grenzüberschreitenden Transfer- und Diffusionsprozessen, des europäischen Mehrebenensystems, sowie kommunaler und sektoraler Besonderheiten erkenntnisfördernd eingesetzt werden kann. Auch ein Ausflug in die Praxis der Kulturpolitik und deren Zusammenhang mit künstlerischer Arbeit ist vorgesehen. Die Studierenden erhalten so die Möglichkeit, ihre soziologischen Kenntnisse durch die Kombination von direkter Beobachtung der Praxis und deren theoretischer Reflexion zu vertiefen. Außerdem werden verschiedene Vergleichsmethoden präsentiert und diskutiert, um die Studierenden für deren unterschiedliche Anwendungsmöglichkeiten zu sensibilisieren. |