Julian Rosefeldt: Manifesto (2015)
Manifeste gehören zu den dichtesten programmatischen Textsorten der Literaturgeschichte; allerdings erreichen sie selten die sog. ‚breite Leserschaft‘ und werden heute in der Regel nur als rein historische Dokumente früherer theoretischer Auseinandersetzungen um Sinn und Aufgabe von Kunst betrachtet.
Der Videokünstler JR hat literarische und künstlerische Manifeste aus verschiednen Strömungen des 20. Jahrhunderts (z.B. Fluxus, Dada oder Dogma 95) zur Grundlage seiner Video-Installation „Manifesto“ gemacht: Sie besteht aus zwölf miteinander in Beziehung stehenden Einzelfilmen von je 10 Minuten und 30 Sekunden sowie einem Prolog von 4 Minuten. Als Installation werden die ausnahmslos von Cate Blanchet gespielten Episoden synchronisiert in Endlosschleife auf verschiedenen Projektionsflächen in einem Raum simultan gezeigt (2017 lief „Manifesto“ auch als lineare Filmversion in den internationalen Kinos).
Das Seminar geht den Textcollagen, die Rosefeldt nutzt, auf den Grund: In kleinen Forschungsgruppen werden die TeilnehmerINNEN die Quellen Rosefeldts rekonstruieren, die Originalmanifeste lesen, analysieren und historisch und systematisch in die Kunst- und Literaturgeschichte des 20. Jahrhunderts einordnen.
Die Ergebnisse der Kleingruppenarbeiten werden in Blocksitzungen vorgestellt, in denen es dann v.a. um die intermediale Umsetzung der Manifest-Texte in Spielszenen geht.
Dabei treffen wir auf Studierende der Kunstpraxis (unter Leitung von Prof. Susanne Weirich), die uns mit ihrer filmtheoretischen Expertise unterstützen (Cate Blanchett verkörpert die jeweilige Hauptfigur in den diversen Szenarien. Was erzählt ihre jeweilige Rolle und die Auswahl der Drehorte? Wie trägt die Kameraführung, das Kostüm, die Ausstattung und die Sprechweise der Protagonistin zur Präsenz und Interpretation des Textes bei? ).
Wir werden ihnen umgekehrt auf dem Feld von Literaturgeschichte, Textanalyse, Gattungs- und Diskurstheorie (was ist und will ein Manifest?) Rede und Antwort stehen.
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