Kommentar |
Die Art und Weise, wie wir Kommunikation organisieren und wie wir kommunikative Äußerungen sprachlich gestalten, ist ganz wesentlich von den Zeitlichkeitsbedingungen geprägt, unter denen Kommunikation stattfindet: In gesprochener Sprache sind Äußerungen flüchtig und irreversibel und die Gesprächsbeteiligten nehmen sich kontinuierlich in all ihren Verhaltensäußerungen wechselseitig wahr (Synchronisierung). Beim sprachlichen Handeln mit Texten hingegen wird die Flüchtigkeit der Sprachäußerung dadurch überwunden, dass Sprache unter Rückgriff auf ein Schriftsystem auf einem externen, flächigen Träger (Papyrus, Pergament, Papier, digitaler Träger) fixiert wird, auf dem alle Elemente der Äußerung simultan präsent zur Verfügung stehen. Solange sie nicht an die Rezipient:innen herausgegeben werden, sind schriftliche Äußerungen zudem reversibel und können von der oder dem Schreibenden beliebig oft wiedergelesen, evaluiert und überarbeitet werden. Im Prozess des Lesens hingegen arbeiten die Leserin und der Leser mit dem Äußerungsprodukt; wie sie damit umgehen und welche Sinnzuschreibungen sie zum Text vornehmen, kann von der Verfasserin bzw. dem Verfasser bei der Planung und Gestaltung der Textäußerung zwar zu einem gewissen Grad antizipiert werden, entzieht sich jedoch seinem bzw. ihrem unmittelbaren Zugriff.
Im Seminar werden wir anhand ausgewählter Ausschnitte aus der wissenschaftlichen Diskussion um die Besonderheiten von gesprochener und geschriebener Sprache zunächst grundlegende Konzepte erarbeiten, die für die Klärung der Zeitlichkeitsbedingungen in mündlichen Gesprächen, in Prozessen der Textproduktion und beim sprachlichen Handeln mit Texten benötigt werden. Anschließend werden wir für ausgewählte Bereiche des sprachlichen Handelns herausarbeiten, wie die die jeweiligen Zeitlichkeitsbedingungen die sprachliche Gestaltung von Kommunikation beeinflussen.
Die Grundlage für die Erarbeitung der Seminarinhalte bilden Konzepte der Linguistischen Pragmatik, der Interaktionslinguistik, der Textlinguistik und der Schreibprozessforschung, die in den einleitenden Teilen des Seminars aufgearbeitet werden.
Arbeitsformen des Seminars sind zum einen intensive, insbesondere kooperativ durchgeführte, Lektüren von linguistischer Literatur zum Seminarthema, deren Ergebnisse in Präsenzdiskussionen gesichert und vertieft werden. Dabei werden neben der „klassischen“ Seminardiskussion insbesondere lernendenzentrierte Formen der Auseinandersetzung mit dem Thema um Einsatz kommen. Das Seminarkonzept verbindet die gemeinsame Arbeit in Präsenzsitzungen mit Formen digital gestützter Gruppenarbeit (Moodle-Funktion TEXTLABOR und punktuelle Video-Meetings). |