Kommentar |
Der verbotenen Inzestliebe eines fürstlichen Geschwisterpaars entspringt ein Sohn, der als Findelkind auf dem Wasser ausgesetzt wird und eine klösterliche Erziehung erfährt. Als Ritter gelangt er später unwissentlich in sein Herkunftsland, befreit die Landesherrin, seine Mutter, von der kriegerischen Bedrängnis durch einen unliebsamen Freier und heiratet sie. Nach der Entdeckung seines Inzestes begibt er sich freiwillig zur äußersten Buße in die Einöde und wird nach 17 Jahren auf den Papststuhl berufen.
Die ‚Gregorius‘-Erzählung Hartmanns von Aue, der um 1180-1200 mit seinen Romanen ‚Erec‘ und ‚Iwein‘ den höfischen Artusroman in deutscher Sprache begründete, wird im Hinblick auf den Status höfischer Lebensformen und Wertvorstellungen kontrovers interpretiert. In diesem Seminar wollen wir den Text genau lesen und unter verschiedenen Aspekten wie u. a. Autor, Publikum und Überlieferung, Prätexte und Gattungszugehörigkeit (Legende vs. Roman), geistliche und höfische Lebensformen, Minne, Schuld und Auserwähltheit, Inzest und Inzesttabu, Identität und Körperlichkeit (Einkleidungen, Nacktheit) diskutieren. Ferner soll das Augenmerk der modernen Rezeption durch Thomas Mann (Der Erwählte, Roman, 1951) gelten. |
Literatur |
Ausgaben:
Hartmann von Aue: Gregorius. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Nach dem Text von Friedrich Neumann neu hg. , übers. und komm. von Waltraud Fritsch-Rößler. Stuttgart: Reclam, 2011 (= RUB 18764).
Thomas Mann: Der Erwählte. Roman. Frankfurt a. M. 1951. 12. Aufl. Frankfurt a. M.: Fischer, 2012.
Zur Einführung:
Christoph Cormeau/Wilhelm Störmer: Hartmann von Aue: Epoche – Werk – Wirkung. 3. Aufl. München: Beck, 2007 (= Arbeitsbücher zur Literaturgeschichte). |