Kommentar |
Der aktuelle „Fall Gurlitt“, bei dem in München etwa 1.000 Bilder unter Raubkunstverdacht sichergestellt wurden, lässt ein wenig in den Hintergrund treten, dass die kulturellen Phänomene Kunstraub und Beutekunst bereits seit der Antike praktizierte Vorgehensweisen sind. Sie etablierten sich im Gefolge von Krieg gleichsam als Kollateralschäden. Unter gewissen Voraussetzungen galten sie sogar als rechtmäßig. Ob Sulla, Titus, Gaius Verres, Karl der Große, die Kreuzfahrer des 4. Kreuzzugs, Karl VIII. von Frankreich, Großwesir Ibrahim, das schwedische Königshaus Wasa, Napoleon oder Hitler, um nur einige Prominente aus der Menge der zahllosen Kunsträuber, Trophäenjäger und deren Auftraggeber zu benennen, sie alle bereicherten sich und ihre Bibliotheken, Münzkabinette, Galerien, Wunderkammern oder Privatgemächer mit fremdem Kulturgut. Napoleons Kunstbeutezug durch Europa, ideologisch bemäntelt als republikanische Tat gegen die „Gewaltherrschaft der Fürsten“, war allenfalls was die Dimensionen der Beute anbelangt, neuartig. Übertroffen wurde er im 20. Jahrhundert von den Nationalsozialisten. Ihr Kunstraub ist bis heute wohl der größte der Geschichte. Plünderungen durch Zivilisten, Diebstähle von Soldaten aus Sammlungen, Kirchen und Museen, etwa des Bagdad Museums während des Irak-Kriegs 2003 oder des Ägyptischen Museums in Kairo im Jahr 2011 kennzeichnen einen Aspekt der Tatsache, dass Kunstraub annähernd so lukrativ ist wie Drogenhandel. Weltweit wird jährlich Kunst im Wert von schätzungsweise 10 Milliarden Dollar geraubt, mit äußerst geringer Aufklärungsquote.
Im Rahmen der Übung sollen neben Restitutionsaktionen auch Provenienzforschung und Recherchemöglichkeiten vorgestellt werden, dazu gehören Suchdatenbanken wie etwa die „Central Collecting Point (CCP) München“, „Sonderauftrag Linz“ oder das „Art-Loss-Register (ALR)“. Eine aktive Teilnahme sowie die Präsentation eines Kurzreferates sind ausdrücklich erwünscht. Zum Semesterende ist eine Exkursion geplant. |
Literatur |
John E. Conklin: Art Crime. Praeger Publishers, Westport 1994
Hector Feliciano: Das verlorene Museum: Vom Kunstraub der Nazis. Berlin 1998
Nora und Stefan Koldehoff (Hg.): Aktenzeichen Kunst. Die spektakulärsten Kunstdiebstähle der Welt. Köln 2004
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