Kommentar |
Wann ist eine Kommune pleite? Wenn die Kasse leer ist, wenn alle kommunalen Liegenschaften der Bank gehören, wenn keine Kredite mehr fließen, um den Strom zu bezahlen --- oder kann sie womöglich gar nicht pleite gehen? Die Antwort auf diese Frage hängt entscheidend damit zusammen, wie die Informationen zur wirtschaftlichen Lage der Kommune gesammelt und dargestellt werden. Hier wurde in den letzten zehn Jahren eine häufig unbemerkt gebliebene Mega-Reform durchgesetzt: die Einführung des Neuen Kommunalen Finanzmanagements. Eng angelehnt an die Standards des privatwirtschaftlichen Konzernrechungswesens stellt es eine Vielzahl von zusätzlichen Informationen bereit, bspw. über die Abnutzung kommunaler Infrastruktur, den Wert von Anlagen wie Aktien und Unternehmensbeteiligungen und die Folgen von Pensionslasten. Diese auf den ersten Blick rein technische Modernisierung hat tiefgreifende Folgen: Sie verändert die Art und Weise wie Politik und Verwaltung gegenüber Bürgerinnen und Bürgern Rechenschaft ablegen und auf welcher Grundlage lokale Politik argumentieren muss. Jetzt erst können sinkende Aktienkurse eine Haushaltsnotlage auslösen, gleichzeitig "verliert" der Kämmerer rechnerisch aber auch nicht mehr das Geld, dass in die Pflege von Straßen und Schultoiletten gesteckt wird. Das Seminar beschäftigt sich 1. mit der Frage, wie die Reform sich in den Geist von New Public Management und Governance einfügt, 2. in welchem Verhältnis sie zu staatlichen und überstaatlichen policies wie der "Schuldenbremse" steht, 3. worin der Inhalt der Reform besteht und wie man die neuen Informationen liest, 4. welche Auswirkungen all das auf die lokale Governance, Demokratie und Verantwortlichkeit in den Kommunen hat und schließlich, 5. welche Chancen und Enttäuschungen dem Reformprojekt möglicherweise bevorstehen. Geplant ist mindestens eine Sitzung mit einer/einem Vertreter/in aus der Praxis der kommunalen Rechungslegung, bspw. um gemeinsam eine kommunale Bilanz zu lesen und zu verstehen, wie sie entsteht. |
Literatur |
Die Literaturgrundlage besprechen wir zu Beginn des Seminars. Als Einführung und zur Orientierung können dienen:
Deutscher Städtetag (2011): Evaluierung des kommunalen Haushalts- und Rechnungswesens, URL: http://www.staedtetag.de/fachinformationen/finanzen/057470/index.html, Stand: 16.07.2014
KGSt (2014): Rechnungswesen und Doppik, URL: https://www.kgst.de/themenfelder/finanzmanagement/rechnungswesen-und-doppik/, Stand: 16.07.2014
MIK NRW (2014): Das Neue Kommunale Finanzmanagement, URL:http://www.mik.nrw.de/themen-aufgaben/kommunales/kommunale-finanzen/kommunale-haushalte/haushaltsrechtnkf.html, Stand: 16.07.2014 |