Kommentar |
Zeiterleben gehört zu den Existenzialien des menschlichen Lebens. Abhängig von Epoche und Kultur empfinden wir Zeit je anders, und auch innerhalb unserer Biographie bestimmen Lebensalter, psychische Disposition und kurzfristige Stimmung darüber, ob ‚gefühlte Zeit‘ Augenblick ist oder Ewigkeit. Literatur als Medium spiegelt diese Entwicklung wider und hat sie ihrerseits mitgestaltet:Texte verschiedener Epochen gehen unterschiedlich mit vergehender Zeit um, indem sie u.a. das Verhältnis von innerer und äußerer, Lebens- und Weltzeit oder physikalischer und 'gefühlter' Zeit rhythmisieren.So war der Weg zur uns heute geläufigen 'homogenen' Zeitdarstellung lang, das Erzählen eines Nebeneinanders setzt erst vergleichsweise spät ein und verinnerlichte Zeitdarstellung als Ausdruck subjektiven psychischen Empfindens ist ein Produkt der klassischen Moderne.
Die Vorlesung gibt einen Überblick über Bedeutung und Darstellung von Zeit in der Literatur sowie literarhistorische und -ästhetische, aber auch kulturgeschichtliche Entwicklungen, die am (literarischen) Umgang mit Zeit ablesbar sind.
Vorgestellt werden neben diskursiven Texten, die sich mit der Zeitgebundenheit des Mediums Literaur beschäftigen, und den großen 'Zeitromanen' des beginnenden 20. Jahrhunderts auch für die Darstellung, Thematisierung und Wahrnehmung von Zeit prominente Texte der deutschsprachigen Literatur. Der Fokus liegt hier einerseits auf den literarästhetischen Techniken, Zeit zu gestalten, sie nachvollziehbar und erlebbar zu machen und andererseits auf den literaturwissenschaftlichen näherhin narratologischen Analysekategorien, mit denen Aspekte der Zeitdarstellung (n. Genette als Ordnung, Dauer, Frequenz) erfasst und analysiert werden können.
Der Besuch des Seminars "Zeit in der Literatur" wird zur Vertiefung und Einübung des Stoffs empfohlen. |