Kommentar |
Warum arbeiten wir? Keine Arbeit ist bloß eine instrumentellen Praxis, die sich darin erschöpft, materielle Bedürfnisse zu decken. Die Arbeiter:in muss auch ein Wille zur Arbeit haben, er oder sie muss eine grundsätzliche Leistungsbereitschaft mitbringen, sich die ausgeübte Arbeit aneignen, mit dieser minimal identifizieren, möglicherweise eine Bindung zum Arbeitgeber oder zur Organisation entwickeln, vielleicht gar ein übergeordnetes Berufsethos verinnerlichen. Dieser oft obskur bleibenden Verwandlung der potentiellen, meist vertraglich geregelten Arbeitsleistung in die tatsächlich gelebte Arbeitsleistung wird sich dieses Seminar widmen.
Das „Transformationsproblem der Arbeit“ (Deutschmann) soll dabei im Rückgriff auf zwei Konzepte aufgeschlüsselt werden: Macht und Identität. Auf der einen Seite werden wir uns der Frage widmen, welche Rolle Macht und Herrschaft für gelingende – und misslingende – Arbeitsprozesse spielen. Wie lässt sich Macht als ein soziales Verhältnis fassen, das sowohl strategisch seitens der Kapitalseite eingesetzt wird, um Arbeitsleistungen zu erhöhen oder schlicht zu erhalten als auch zwischen den Arbeitnehmer:innen subtile oder explizite Über- und Unterordnungen etabliert? Auf der anderen Seite wird zu fragen sein, wie sich die Arbeiter:innen mit ihrer Arbeit identifizieren, durch diese so geformt werden, dass sie sich erst in und durch die Arbeit als handlungsfähige und selbstbestimmte Subjekte begreifen. Wenn ich aber dort Autonomie gewinnen möchte, wo ich zugleich fast immer Anderen und Anderem unterworfen bin, dann wird rasch klar: Macht und Identität sind höchstens analytisch trennbar, faktisch bilden sie zwei Seiten einer Medaille.
Um uns dem Macht-Identität-Nexus in der Arbeit zu nähern, geht das Seminar in seinem ersten Teil auf klassische Positionen zum Thema ein, das heißt: Karl Marx, Max Weber und Michel Foucault. Diese Klassiker führen zu aktuelleren Debatten. Mit der Labour Process Theory (Burawoy, Kalbermatter) ist an jenen Strang anzuschließen, der die marxsche Tradition fortschreibt; die webersche Aktualisierung wird über die deutsche Forschung zu Arbeiter:innenmentalitäten (etwa zu fossilen Mentalitäten in der Automobilindustrie) nachvollzogen; die foucaultsche Tradition werden wir über die aktuelle poststrukturalistische Arbeitssoziologie (Rose, Bröckling, Schürmann) kennenlernen. |
Literatur |
Literatur zur Einführung:
Deutschmann, Christoph (2002): Postindustrielle Industriesoziologie. Theoretische Grundlagen, Arbeitsverhältnisse und soziale Identitäten. Weinheim, München: Juventa.
Knights, David; Willmott, Hugh (1989): Power and Subjectivity at Work: from Degradation to Subjugation in Social Relations, in: Sociology, 23 (4), 535-558.
Schwerpunktheft “Gerechtigkeitsansprüche und Arbeitnehmerbewusstsein heute – neue Ansätze, neue Befunde. WSI-Mitteilungen 69 (7) (2016).
Verfügbarkeit der Seminartexte:
Alle Seminartexte stehen als PDF auf Moodle zum Herunterladen bereit.
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