Kommentar: |
Reformpädagogische Modelle und Ideen gelten als progressiv und richtungsweisend für eine lebensnahe und praxisorientierte Gestaltung des Unterrichts. Sie sind, so die These des Seminars, in ihrem Kern anti-didaktisch, denn Sie betonen das Lernen durch Erfahrung und sie verteidigen das Recht der jüngeren Generation, eigene Erfahrungen zu machen, gegenüber dem Willen der älteren Generation, ihre abgelebten Wissensbestände zu tradieren. Auch bei vielen Lehramtsstudierenden stehen die Theorien der bekanntesten Vertreter/-innen der reformpädagogischen Bewegung (Maria Montessori, Peter Petersen, Herman Lietz und Rudolf Steiner) in hohem Ansehen. Dieses Interesse mutet paradox an, denn der Erziehungs- und Bildungsauftrag der staatlichen Regelschule verpflichtet den/die Lehrenden zum lehrplangemäßen Unterricht. Hauptaufgabe der Seminararbeit ist es, die reformpädagogischen Ideen in den sie übergreifenden gesellschaftlichen-historischen Kontext (Kaiserzeit, Weimarer Republik und NS-Zeit) zu stellen. Nur dann, wenn die Reformpädagogik in dem einmaligen historischen Kontext sichtbar wird, aus dem sie ihre Aura praktischer Wirksamkeit bezieht, ist es möglich, ihre Leitideen und zentralen Motive (Entwicklung, Kindzentrierung, Ganzheitlichkeit, Naturgemäßheit, Gemeinschaft etc.) aus kritischer Distanz zu analysieren.
Literatur: Keim, Wolfgang/Schwerdt, Ulrich (Hrsg.) (2013): Handbuch der Reformpädagogik in Deutschland (1890). Teil 1: Gesellschaftliche Kontexte, Leitideen und Diskurse. Frankfurt/M.: Peter Lang.
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