Der Relativismus gilt Vielen als die Grundlage sozial- und kulturwissenschaftlicher Arbeit und als die einzig mögliche Antwort auf überkommene universalistische, ethnozentristische und kolonialistische Denkweisen. Doch was genau ist 'der' Relativismus? Müssen alle Ansätze, die relativistisch argumentieren, als gleichermaßen wahr betrachtet werden – ist alles subjektiv und erschaffen wir alle unsere private Wirklichkeit? Welche Merkmale sind es nun, die unsere Wirklichkeit konstituieren, konstruieren oder gar determinieren sollen und wie tief können die Unterschiede zwischen solchen Konstrukten ausfallen? Was folgt aus solchen Ansätzen für die soziale und kommunikative Distribution von Wissen, für seine Zugänglichkeit und Handlungsrelevanz? Inwiefern hängt die Beschreibung von Kommunikationsprozessen von der jeweiligen Theorie ab und bedeutet das konkret für kommunikationswissenschaftliche Arbeit? Wo liegen die Probleme der einzelnen Ansätze?
In Anschluss an die wissenssoziologischen Veranstaltungen des Vorsemesters werden wir nun solche Ansätze betrachten, die explizit relativistische Argumentationen beinhalten. Wir werden zentrale Ansätze der Wissens- und Wissenschaftssoziologie der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kennenlernen und zueinander in Beziehung setzen:
• Ludwig Wittgenstein zu Regelfolgen und Lebensform
• Peter Winch und die Rationalitäts-Relativismus-Debatt
• Das 'strong programme' von David Bloor und Barry Barnes
• Karin Knorr-Cetina und die Fabrikation der Erkenntnis
• Radikaler Konstruktivismus von Ernst von Glasersfeld
Studierende sollen die Kompetenz erlangen, relativistische Argumentationen zu erkennen, zu analysieren und begründete Kritik daran zu üben, ohne 'den' Relativismus pauschal zu akzeptieren oder abzulehnen. In gruppenbasierten Projekten werden von Studierenden selbst erarbeitete Fragestellungen behandelt, die sich sowohl mit der kommunikationstheoretischen Relevanz dieser Ansätze auseinander setzen als auch mit ihrer wissenschaftlichen Anwendung. Dieses Seminar setzt die Bereitschaft zu intensiver eigenständiger Einzel- und Gruppenarbeit voraus sowie Freude an der Entwicklung einer eigenen wissenschaftlichen Fragestellung.
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