Kommentar: |
Die Medien Fotografie und Skulptur blicken auf eine leidenschaftliche Beziehungsgeschichte zurück. Seit ihrer Erfindung wurde die Fotografie für die Reproduktion von dreidimensionalen Objekten eingesetzt. Die Debatte um die Möglichkeiten und Grenzen fotografischer Kunstreproduktion begleitete diese Praxis quasi von Beginn an. Künstlerinnen und Künstler haben sich an ihr gleichsam abgearbeitet wie die Kunst- und die Medientheorie. Das Seminar wird sich dieser Beziehung aus unterschiedlichen Perspektiven widmen und einen Bogen von den ersten Auseinandersetzungen im 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart spannen. Theoretische Texte und künstlerische Positionen werden gleichermaßen und in Bezug aufeinander besprochen. Dabei wird es weniger um die dokumentarischen Prämissen fotografischer Skulpturendarstellungen gehen als um die Frage, wie Fotografie und Skulptur sich im medialen und experimentellen Wechselspiel gegenseitig beeinflussen und verändern können, wie das eine Medium durch das andere bedingt sein kann, um darüber auch geltende Skulpturenbegriffe zu erweitern und neu zu justieren. Besprochen werden unter anderem Arbeiten der Frühzeit der Fotografie (Daguerre, Talbot) oder Fotografien von Künstlerinnen und Künstlern, die Fotografie gezielt nutzten und nutzen, um die Inszenierung oder Rezeption ihrer eigenen Werke zu steuern (wie z.B. Auguste Rodin, Constantin Brancusi oder Robert Smithson) sowie künstlerische Positionen, die sich im Medium Fotografie insbesondere auch mit Skulpturen kolonialer Provenienzen auseinandersetzten (u.a. Man Ray, Walker Evans). Innerhalb dieses Spannungsfelds werden auch nicht künstlerische Anwendungsbereiche (z.B. museale oder wissenschaftliche) sowie die Zirkulation und Distributionswege fotografischer Skulpturendarstellungen betrachtet - physische Abzüge, digitale Bilder, Drucke in Zeitschriften oder Büchern. |
Literatur: |
Ausst. Kat. Akademie der Künste, Berlin u.a.: Lens-based sculpture: die Veränderung der Skulptur durch die Fotografie, Bogomir Ecker (Hg.), Berlin 2014
Caraffa, Costanza (Hg.): Fotografie als Instrument und Medium der Kunstgeschichte, Berlin 2009
Dobbe, Martina: Bernd und Hilla Becher – „Anonyme Skulpturen“. Bildliches Zeigen in der Fotografie, in: Kristin Marek / Martin Schulz (Hg.): Kanon Kunstgeschichte. Band IV: Gegenwart, Paderborn 2015, S. 55-74
Grossman, Wendy A.: Man Ray, African Art, and the Modernist Lens, Washington 2009
Gülicher, Nina: Inszenierte Skulptur. Auguste Rodin, Medardo Rosso und Constantin Brancusi, München 2011
Hamill, Sarah; Luke, Megan R. (Hg.): Photography and Sculpture. The Art Object in Reproduction, Los Angeles 2017
Höfer, Candida: Zwölf Twelve. Die Bürger von Calais, München 2001
Johnson, Geraldine A. (Hg.): Sculpture and Photography, Cambridge u.a. 1998
Malraux, André: Le musée imaginaire (dt. Das imaginäre Museum), Genf 1947
Marcoci, Roxana (Hg.): The Original Copy, New York, NY: Museum of Modern Art, 2010.
Ogbechie, Sylvester: Making History. African Collectors and the Canon of African Art, Mailand 2011
Webb, Virginia-Lee: Perfect Documents. Walker Evans and African art, 1935, New York 2000
Wölfflin, Heinrich: Wie man Skulpturen aufnehmen soll, in: Zeitschrift für bildende Kunst (1897), S. 294-297
Wolf, Herta: „Es werden Sammlungen jeder Art entstehen“. Zeichnen und Aufzeichnen als Konzeptualisierungen der fotografischen Medialität, in: Zeitschrift für Medienwissenschaft. Heft 3: Aufzeichnen, Jg. 2 (2010), Nr. 2, S. 27-41 |