Kommentar: |
Mit dem vieldiskutierten Konzept des Black Atantic, d.h. des „Schwarzen Atlantik“ wurde erstmals der Versuch unternommen, dem durch den Sklavenhandel bestimmten Geschichtsraum zwischen Afrika, Europa und den Amerikas eine neue Deutung zu geben. Politische und kulturelle Verflechtungen wurden nun in einem Modell fassbar, das dynamischen Austauschprozessen und raumzeitlichen Strukturen Rechnung trägt. Es sah die Öffnung der Abschottungen westlicher und nicht-westlicher Moderne vor, die politische Herrschaft und kulturwissenschaftliche Disziplinen im 19. Jahrhundert erzeugt hatten. Autoren wie Édouard Glissant, Paul Gilroy u. a. intendierten, ein »relationales« Denkmodell zu entwickeln, das Formen ästhetischer und politischer Partizipation in einem transnationalen Zeit-Raumgebilde erfasste. Damit ergeben sich auch neue Blicke auf das Medium Malerei und seine Formulierungen ästhetischer und politischer Sichtbarkeit. Hatte im Zusammenhang des Kubismus und seiner Rezeption eines afrikanischen „Primitiven“ lange Zeit die Skulptur Afrikas im Fokus der Moderne gestanden, so soll nun im Seminar das Medium der Malerei besondere Aufmerksamkeit erhalten. Wir werden uns mit exemplarischen Positionen von Bildkonzepten beschäftigen, die nicht nur physiognomische Konzepte der Aufklärung und der darin festgelegten „Blackness“ aufgreifen, sondern vor allem auch andere Bedingungen des Bildes in sakralen, kulturellen und politischen Kontexten herausfordern und als Form von Modernekritik und Protest nutzen. Vorrangig geht es um Kulturen von Bild und Schrift, Bild und Ornament, Bild und Performanz. Beginnend in den 20er Jahren steht ebenso die institutionelle Begründung des Bildmediums in Akademien, Kunstschulen, Festivals und in der Filmindustrie aber auch in philosophischen und ästhetischen Konzepten wie Négritude, Natural Synthesis bis hin zu Post Black im Vordergrund. Die Bürgerrechtsbewegung und ihre schwarzen Akteur:innen in den USA in den 1960er Jahren bis heute liefern einen weiteren entscheidenden Ausgangspunkt.
Künstler:innen, mit denen wir uns beschäftigen werden, sind ua. Aaron Douglas, Iba N’Diaye, Soly Cissé, Frank Bowling, Norman Lewis, Jeff Donaldson, Kerry James Marshall, Glenn Ligon, Isaac Julien, Moshekwa Langa, Njideka Akunyili Crosby, Marlene Dumas und Lynette Yiadom-Boakye.
Gute Englischkenntnisse sind eine wichtige Voraussetzung für die Teilnahme an der Veranstaltung.
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Literaturauswahl:
Ausst.-Kat. Afro Modern. Journeys through the Black Atlantic. Tate Liverpool, hg. v. Tanya Barson, Liverpool: Tate, 2010.
Ausst.-Kat. Black Paris, Kunst und Geschichte einer schwarzen Diaspora: Iwalewa Haus Bayreuth u. a.O. 2006, hg. v. Tobias Wendl; Bettina von Lintig; Kerstin Pinther, Wuppertal 2006
Ausst.-Kat.Tate Modern London: Soul of a nation. Art in the age of Black Power, hg. v. Mark Godfrey and Zoé Whitley. London 2017
Enwezor, Okwui; Okeke-Agulu, Chika (Hg.): Reading the Contemporary. London 1999.
Enwezor, Okwui; Okeke-Agulu, Chika: Contemporary African Art since 1980. Bologna 2009.
Genge, Gabriele: Black Atlantic. Andere Geographien der Moderne. Düsseldorf 2012
Genge, Gabriele: Kunstgeschichte im Black Atlantic. Glenn Ligon's Textmalerei, in: Kanon Kunstgeschichte, hg. v. Kristin Marek und Mar-tin Schulz, Bd. IV. München: Fink 2015, S. 235-254
Genge, Gabriele: Neue Perspektiven auf die Négritude. Totemismus und transnationale Migration der Bilder. In: Lang, Astrid; Windorf, Wiebke (Hg.): Blickränder. Grenzen, Schwellen und ästhetische Rand-phänomene in den Künsten. Berlin: Lukas Verlag 2017, S. 285-299
Godfrey, Mark und Biswas, Allie (Hg.), The Soul of a nation reader. Writings by and about Black American artists, 1960-1980, New York, NY 2021.
Jones, Amelia: Eyesight Alone. Clement Greenbergs Modernism and the Bureaucratization of the Senses. London, Cambridge 2005
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