Kommentar: |
In der Dortmunder Nordstadt, in der Schleswiger Straße 31, steht ein Wohnhaus, dessen Fassade sich deutlich von der Häuserzeile aus der Gründerzeit abhebt, in die es eingebettet ist. Ihre Gestaltung verweist auf die Ästhetik der sogenannten "Roma-Paläste", Häuser, die wohlhabende Roma nach dem Ende des Sozialismus in Rumänien und Bulgarien errichtet haben (Gräf 2008). Die erwähnte Fassade wurde im Rahmen eines kollaborativen Kunstprojekts konzipiert und mit Mitgliedern der lokalen Roma-Community realisiert (Arns / Saavedra-Lara 2020). Das Seminar nimmt dieses Projekt zum Ausgang, um anhand ausgewählter Projekte über die Zusammenhänge von „Kunst und Empowerment“ – einem Konzept, das im Kontext der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung in den 1970er Jahren entstand – nachzudenken. Wie können sich marginalisierte Gruppen oder Personen, wie die Angehörigen der Dortmunder Roma Community im erwähnten Dortmunder Fassaden-Projekt, über und durch künstlerische Projekte (selbst)ermächtigen? Wie tragen künstlerische Projekte zu einer veränderten (Selbst)Wahrnehmung dieser Gruppen oder Personen bei? Welche gesellschaftlichen Prozesse können durch diese Manifestationen angestoßen werden? Diesen Fragen und weiteren werden wir im Seminar nachgehen. Besprochen werden unter anderem (Minderheiten-)Biennalen und Ausstellungen, die sich als Plattformen marginalisierter Gruppen verstehen oder als solche gelesen werden (u.a. die Roma Biennale, Berlin und die documenta 15) und künstlerische Projekte (u.a. Carolina Caycedo). Dabei werden ebenso Buttom-up-Initiativen, also Initiativen, die von Angehörigen marginalisierter Gruppen selbst hervorgebracht wurden, wie Top-down-Projekte, die künstlerische Strategien als Mittel politischer und sozialer Steuerung implementieren, betrachtet, ebenso wie zugehörige theoretische Konzepte. |
Literatur: |
Arns, Inke; Saavedra-Lara, Fabian (eds.). Faţadă / Fassade, Dortmund: Kettler 2020
Baker, Daniel; Hlavajova, Maria (Hg.), We Roma. A Critical Reader in Contemporary Art, Utrecht / Amsterdam 2013
Bogerts, Lisa, Ästhetik als Widerstand. Ambivalenzen von Kunst und Aktivismus, in: Peripherie (2017), Vol.37 (145), S. 7-28
Filipovic, E.; van Hal, M.; Ovstebo, S. (Hg.): The Biennial Reader. An anthology on large-scale perennial exhibitions of contemporary art, Ostfildern 2010
Finkenberger, Isabel Maria; Baumeister, Eva-Maria; Koch, Christian (eds.). Komplement und Verstärker / Amplifier and Complement, Berlin: Jovis 2019
Gernot, Wolfram. Die Kunst, für sich selbst zu sprechen. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 2018
Gräf, Rudolf R., [Z…]paläste: Die Architektur der Roma in Rumänien, Cluj-Napoca: Rumänische Akad. 2007
Matras, Yaron; Leggio, Daniele Viktor: Open Borders, Unlocked Cultures: Romanian Roma Migrants in Western Europe, London; New York: Routledge 2018
Marchart, Oliver, Zehn Thesen zur Globalisierung der Kunst anhand der „Biennalen des Widerstands“, in: Paragrana 26 (2017) 1, S. 94-99
von Mengersen, Oliver (Hg.): Sinti und Roma. Eine deutsche Minderheit zwischen Diskriminierung und Emanzipation, Bonn / München: Bundeszentrale für politische Bildung, 2015
Ruangrupa (Hg.): documenta 15 Handbuch, Ostfildern-Ruit: Hatje Cantz Verlag, 2022
de Sousa Santos, Boaventura. Epistemologies of the South: Justice Against Epistemicide, 2014 |